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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Vater war
    meskalinsüchtig. Ich wollte die Visionen so sehr. Du magst sie auch. Jedenfalls mochtest du sie eine Weile.«
    »Sie haben mich krank gemacht.«
    »Zuviel auf einmal, das ist alles. Du wirst dich daran gewöhnen.«
    »Unmöglich.«
    »Aber du mußt lernen, Howard. Das war kein Zeitvertreib, es war eine Lektion.«
    »Worin?«
    »In der Wissenschaft des Seins und Werdens. Alchimie, 258
    Biologie und Metaphysik in einer Disziplin. Ich habe lange gebraucht, es zu begreifen, aber es hat mich zu dem Mann gemacht, der ich bin« - Fletcher klopfte mit dem Zeigefinger an die Lippen -, »was, das ist mir klar, eine etwas pathetische Sichtweise ist. Es gibt bessere Umstände, seinen Erzeuger kennenzulernen, aber ich habe mir größte Mühe gegeben, dir einen Vorgeschmack des Wunders zu zeigen, bevor du seinen Erzeuger höchstpersönlich siehst.«
    »Das ist nur ein Traum«, sagte Howie. »Ich habe zu lange in die Sonne gesehen, und sie hat mein Gehirn gebacken.«
    »Ich sehe auch gern in die Sonne«, sagte Fletcher. »Aber: Nein - dies ist kein Traum. Wir sind beide in diesem Augenblick hier und tauschen wie zivilisierte Wesen unsere Gedanken aus.
    Wirklicher kann das Leben nicht werden.« Er breitete die Arme aus. »Komm näher, Howard. Umarme mich.«
    »Auf keinen Fall.«
    »Hast du Angst?«
    »Du bist nicht mein Vater.«
    »Also gut«, sagte Fletcher. »Ich bin nur einer davon. Es gab noch einen anderen. Aber glaub mir, Howard, ich bin der wichtige.«
    »Du redest Scheiße, weißt du das?«
    » Warum bist du so wütend?« wollte Fletcher wissen. »Liegt es an deiner verzweifelten Affäre mit dem Kind des Jaff?
    Vergiß sie, Howard.«
    Howie zog die Brille ab und betrachtete Fletcher mit zusammengekniffenen Augen. »Woher weißt du von Jo-Beth?« sagte er.
    »Was in deinem Verstand ist, Sohn, ist auch in meinem.
    Jedenfalls seit du dich verliebt hast. Laß dir sagen, mir gefällt das ebensowenig wie dir.«
    »Wer hat gesagt, daß es mir nicht gefällt?«
    »Ich habe mich in meinem ganzen Leben nicht verliebt, aber ich bekomme durch dich einen Geschmack davon, und der ist 259
    nicht allzu süß.«
    »Wenn du einen Einfluß auf Jo-Beth hast...«
    »Sie ist nicht meine Tochter, sondern die des Jaff. Er ist in ihrem Kopf, so wie ich in deinem bin.«
    »Das ist ein Traum«, sagte Howie wieder. »Es muß einer sein. Es ist alles ein verdammter Traum.«
    »Dann versuch aufzuwachen«, sagte Fletcher.
    »Hm?«
    »Wenn es ein Traum ist, Junge, dann versuch aufzuwachen.
    Damit können wir die Skepsis überwinden und uns an die Arbeit machen.«
    Howie zog die Brille wieder auf, damit er Fletchers Gesicht deutlich sehen konnte. Es lächelte nicht.
    »Nur zu«, sagte Fletcher, »sortiere deine Zweifel, denn wir haben nicht viel Zeit. Dies ist kein Spiel. Dies ist kein Traum.
    Dies ist die Welt. Und wenn du mir nicht hilfst, steht mehr als nur deine Groschenroman-Romanze auf dem Spiel.«
    »Scheiß drauf!« sagte Howie und ballte die Faust. »Ich kann aufwachen. Sieh her!«
    Er nahm alle Kraft zusammen und verpaßte dem Baum
    neben sich einen Faustschlag, der das Blattwerk zum Erzittern brachte.
    Rings um ihn herum fielen ein paar Blätter zu Boden. Er schlug nochmals gegen die rauhe Rinde. Der zweite Schlag tat weh, genau wie der erste. Und der dritte und vierte. Aber Fletchers Bild verschwamm nicht; es blieb solide im
    Sonnenschein. Howie schlug noch einmal gegen den Baum und spürte, wie die Haut über den Knöcheln aufplatzte und zu bluten anfing. Die Schmerzen wurden zwar mit jedem Schlag schlimmer, aber die Szenerie um ihn herum kapitulierte nicht.
    Entschlossen, ihren Bann zu brechen, schlug er immer wieder gegen den Stamm, als wäre das eine neue Übung, die nicht entworfen worden war, um die Maschine zu stärken, sondern sie zu verletzen. Ohne Schmerz kein Preis.
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    »Nur ein Traum«, sagte er zu sich selbst.
    »Du wirst nicht aufwachen«, warnte Fletcher ihn. »Hör jetzt auf, bevor du dir etwas brichst. Finger sind nicht so leicht zu beschaffen. Es hat ein paar Äonen gedauert, Finger zu bekommen...«
    »Es ist alles nur ein Traum«, sagte Howie. »Nur ein Traum.«
    »Hör auf, ja?«
    Aber Howie wurde von mehr als nur dem Wunsch getrieben, dem Traum ein Ende zu machen. Ein halbes Dutzend weiterer Gründe, wütend zu sein, waren emporgestiegen und verliehen den Schlägen zusätzliche Wucht. Zorn auf Jo-Beth und ihre Mutter, und seine Mutter auch, wenn er schon einmal dabei war; auf sich selbst, weil er so dumm war,

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