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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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weil er ein heiliger Narr war, während der Rest der Welt so klug war und im Kreis um ihn herumlief. Wenn es ihm gelang, den Bann zu
    zerschmettern, den diese Illusion auf ihn ausübte, würde er nie wieder ein Narr sein.
    »Du wirst dir die Hand brechen, Howard...«
    »Ich werde aufwachen.«
    » Und was wirst du dann machen?«
    »Ich werde aufwachen.«
    » Wenn sie von dir will, daß du sie anfaßt, was willst du dann mit einer gebrochenen Hand anfangen?«
    Er hörte auf und drehte sich zu Fletcher um. Die Schmerzen waren plötzlich unerträglich. Er sah aus dem Augenwinkel, daß die Baumrinde scharlachrot war. Ihm wurde übel.
    »Sie will... nicht... daß ich sie anfasse«, murmelte er. »Sie...
    hat mich ausgesperrt...«
    Er ließ die verletzte Hand sinken. Blut tropfte daran herunter, das wußte er, brachte es aber nicht über sich hinzusehen. Der Schweiß auf seinem Gesicht hatte sich plötzlich in Tröpfchen Eiswasser verwandelt. Auch seine Gelenke waren zu Wasser geworden. Er schwang die pochende Hand weg von Fletchers Augen - dunkel, wie seine eigenen; 261
    sogar das blinde - und zur Sonne empor.
    Ein Sonnenstrahl, der zwischen den Blättern hindurch auf sein Gesicht schien, fiel auf ihn.
    »Es ist... kein... Traum«, murmelte er.
    »Dafür gibt es leichtere Beweise«, hörte er Fletcher durch das Heulen bemerken, das in seinem Kopf anschwoll.
    »Ich werde... mich übergeben...«, sagte er. »Ich kann den Anblick von...«
    »Kann dich nicht verstehen, Sohn.«
    »Kann den Anblick... von meinem eigenen...«
    »Blut?« sagte Fletcher.
    Howie nickte. Das war ein Fehler. Sein Gehirn kreiste im Schädel, die Verbindungen brachen. Seine Zunge konnte sehen, die Ohren schmeckten Wachs, die Augen spürten die feuchte Berührung seiner zuklappenden Lider.
    »Ich will fort von hier«, sagte er und brach zusammen.
    So lange Zeit, mein Sohn, habe ich im Fels darauf gewartet, das Licht zu sehen. Und jetzt, wo ich da bin, kann ich mich nicht daran erfreuen. Oder an dir. Keine Zeit, Spaß mit dir zu haben, wie Väter Spaß an der Gesellschaft ihrer Söhne haben sollten.
    Howie stöhnte. Die Welt war gerade nicht zu sehen. Aber wenn er die Augen aufmachte, würde sie da sein und auf ihn warten. Fletcher sagte ihm jedoch, er sollte es nicht zu angestrengt versuchen.
    Ich halte dich, sagte er.
    Das stimmte. Howie spürte, wie die Arme seines Vaters ihn in der Dunkelheit umschlungen hielten und einhüllten. Sie schienen riesig zu sein. Oder vielleicht war er geschrumpft, wieder zum Baby geworden.
    Ich wollte nie Vater werden, sagte Fletcher. Es wurde mir von den Umständen aufgezwungen. Weißt du, der Jaff hat beschlossen, Kinder zu machen, damit er Agenten aus Fleisch und Blut hat. Ich war gezwungen, dasselbe zu tun.
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    »Jo-Beth?« murmelte Howie.
    Ja?
    »Ist sie von ihm oder von dir?«
    Selbstverständlich von ihm. Von ihm.
    »Also sind wir nicht... Bruder und Schwester?«
    Nein, selbstverständlich nicht. Sie und ihr Bruder sind seine Geschöpfe, du bist meines. Darum mußt du mir helfen, Howie.
    Ich bin schwächer als er. Ein Träumer. Das bin ich schon immer gewesen. Ein Träumer auf Drogen. Er ist schon da draußen und beschwört seine verfluchten Terata ...
    »Seine was?«
    Seine Kreaturen. Seine Armee. Das hat er von dem Komiker bekommen. Etwas, das ihn fortgetragen hat. Und ich? Ich bekam nichts. Sterbende Menschen haben nicht viele Fantasien.
    Nur Angst. Er liebt Angst.
    »Wer ist er?«
    Der Jaff? Mein Feind.
    »Und wer bist du?«
    Sein Feind.
    »Das ist keine Antwort. Ich will eine bessere Antwort als das.«
    Das würde zuviel Zeit kosten. Wir haben keine Zeit, Howie.
    »Nur das Skelett.«
    Howie spürte, wie Fletcher in seinem Kopf lächelte.
    Oh... das Wesentliche kann ich dir geben, sagte sein Vater.
    Skelette von Vögeln und Fischen. Von im Boden begrabenen Wesen. Wie Erinnerungen. Womit wir wieder beim Thema sind.
    »Bin ich dumm, oder redest du Unsinn?«
    Ich habe dir soviel zu erzählen und so wenig Zeit. Vielleicht ist es am besten, wenn ich es dir zeige.
    Seine Stimme klang mit einemmal gepreßt; Howie konnte Angst heraushören.
    »Was hast du vor?« sagte er.
    Ich öffne dir meinen Verstand, Sohn.
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    »Du hast Angst...«
    Wird ziemlich anstrengend werden. Aber ich kenne keine andere Möglichkeit.
    »Ich glaube, das will ich nicht.«
    »Zu spät«, sagte Fletcher.
    Howie spürte, wie die Arme, die ihn hielten, ihn freigaben; spürte, wie er aus dem Griff seines Vaters fiel. Das war eindeutig der

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