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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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zurückerobern.«
    »Gehorche mir!« sagte Fletcher. »Du bist mein Kind. Du mußt mir gehorchen!«
    »Wenn du einen Sklaven brauchst, such dir doch einen«, sagte Howie. »Ich habe Besseres zu tun.«
    Er drehte Fletcher den Rücken zu; jedenfalls glaubte er das, 266
    bis der Mann vor ihm auftauchte.
    »Verdammt, wie hast du das gemacht?«
    »Ich kann eine ganze Menge. Kleinigkeiten. Ich werde sie dir beibringen. Nur laß mich nicht im Stich, Howard.«
    »Niemand nennt mich Howard«, sagte Howie und hob die
    Hand, um Fletcher wegzustoßen. Er hatte seine Verletzung vor-
    übergehend vergessen gehabt; jetzt sah er sie wieder vor sich.
    Die Knöchel waren aufgescheuert, der Handrücken und die Finger blutverkrustet. Grashalme klebten daran, grün auf rot.
    Fletcher wich angeekelt einen Schritt zurück.
    »Magst den Anblick von Blut auch nicht, was?« sagte
    Howie.
    Während er zurückwich, veränderte sich Fletchers Aussehen etwas, aber so subtil, daß es Howie nicht richtig begriff. Lag es daran, daß er in einen von der Sonne beschienenen Fleck zurückgewichen war und das irgendwie durch ihn
    hindurchschien? Oder löste sich ein in seinem Bauch
    gefangenes Stück Himmel und stieg in die Augen empor? Was auch immer, es kam und ging blitzschnell.
    »Ich bin zu einer Abmachung bereit«, sagte Howie.
    »Das wäre?«
    »Du läßt mich in Ruhe; ich lasse dich...«
    » Es gibt nur uns zwei, Sohn. Gegen die ganze Welt.«
    »Du bist verrückt, weißt du das?« sagte Howie. Er wandte den Blick von Fletcher ab und sah den Weg entlang, den er gekommen war. »Daher habe ich es! Die ganze Scheiße von wegen heiliger Narr. Nun, ich nicht! Nicht mehr. Es gibt Menschen, die mich lieben!«
    »Ich liebe dich!« sagte Fletcher.
    »Lügner.«
    »Na gut, dann werde ich es lernen.«
    Howie entfernte sich von ihm; den blutigen Arm hielt er ausgestreckt.
    »Ich kann es lernen!« hörte er seinen Vater hinter sich rufen.
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    »Howard, hör mich an! Ich kann es lernen!«

    Er lief nicht weg. Dazu hatte er nicht die Kraft. Aber er kam ohne zu stürzen bis zur Straße; das war ein Sieg des Geistes über die Materie, wenn man bedachte, wie schwach er auf den Beinen war. Dort verweilte er kurze Zeit, weil er sicher war, daß Fletcher ihm nicht in offenes Gelände folgen würde. Der Mann hatte Geheimnisse, die er keinem anderen menschlichen Auge offenbaren wollte. Während er ausruhte, plante er. Zuerst würde er ins Motel zurückkehren und seine Hand versorgen.
    Und dann? Wieder zu Jo-Beths Haus. Er mußte gute
    Nachrichten überbringen, und er würde eine Möglichkeit finden, sie zu erzählen, und wenn er die ganze Nacht auf die Gelegenheit warten mußte.
    Die Sonne war heiß und hell. Sein Schatten eilte ihm voraus, während er ging. Er richtete den Blick auf den Gehweg und folgte seinem Muster dort, Schritt für Schritt, zurück ins normale Dasein.

    Im Wald hinter ihm verfluchte Fletcher seine Unzulänglichkeit.
    Er hatte noch nie gut überzeugen können und sprang vom Banalen zu Visionen, ohne die Mitte dazwischen ausreichend zu erfassen: einfachste gesellschaftliche Fähigkeiten, die die meisten Menschen schon im Alter von zehn Jahren
    beherrschten. Es war ihm nicht gelungen, seinen Sohn durch Argumentation zu überzeugen, und Howard seinerseits hatte sich den Offenbarungen widersetzt, die ihm die Gefahr begreiflich gemacht haben würden, in der sein Vater schwebte.
    Nicht nur er; die ganze Welt.
    Fletcher zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß der Jaff heute ebenso gefährlich war wie damals in der Misión de Santa Catrina, als ihn der Nuncio erstmals verfeinert hatte. Noch ge-fährlicher. Er hatte Verbündete im Kosm; Kinder, die ihm gehorchen wollten, weil er gut mit Worten umzugehen verstand.
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    In diesem Augenblick floh Howard in die Arme eines dieser Agenten. So gut wie verloren. Damit blieb ihm keine andere Möglichkeit, als selbst in den Grove zu gehen und nach Menschen zu suchen, von denen er Halluzigenien bekommen konnte.
    Es hatte keinen Sinn, diesen Augenblick hinauszuzögern.
    Ihm blieben noch ein paar Stunden bis zur Dämmerung, wenn sich der Tag der Dunkelheit beugen würde, und dann würde der Vorteil des Jaff noch größer sein als ohnedies schon.
    Obwohl es ihm nicht gefiel, auf den Straßen des Grove zu gehen, wo jeder ihn sehen und studieren konnte, hatte er denn eine andere Wahl? Vielleicht konnte er ein paar beim Träumen erwischen, obwohl es heller Tag war.
    Er sah zum Himmel hinauf und dachte an sein Zimmer

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