Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
niemals zu Hause anzutreffen.
»Was machst du denn hier?«, fragte Bradley seine Schwester, als sie durch die Tür kam.
»Ich gehe Lauren Bastion aus dem Weg«, antwortete Erin entnervt. »Sie ist mal wieder in der Galerie. Beinahe jeden Tag kreuzt sie dort auf und übernimmt klammheimlich mehr und mehr meiner Aufgaben. Doch Dad sieht das nicht, Bradley. Das macht mich so wütend. Aber was machst du zu Hause?«
»Ich habe ein paar Bilder nach Whitechapel gebracht. Die nächste Auslieferung ist erst heute Nachmittag.«
»Du meidest die Galerie in Knightsbridge auch wegen Lauren?«, vermutete Erin.
Bradley seufzte. »Ich bin gerade in Dads Arbeitszimmer gewesen. Auf seinem Schreibtisch lagen zwei Flugtickets nach Mailand für kommendes Wochenende.«
Ungläubig starrte Erin ihren Bruder an. »Dad wird doch sicher nicht mit Lauren nach Mailand reisen, oder?«
»Uns zwei hat er jedenfalls nicht eingeladen, also nehme ich schon an, dass er mit ihr fliegen will. Er hat in Mailand im Westin Palace Hotel Zimmer reserviert.«
»Was?« Erin ließ sich aufs Sofa fallen. »Das ist eines der luxuriösesten Hotels Italiens. Und eines der teuersten!«
Bradley runzelte die Stirn. »Trägt sie heute eine wunderschöne Armbanduhr mit Diamanten?«, fragte er.
Die Uhr war Erin aufgefallen, doch sie hatte angenommen, dass einer ihrer reichen Ehemänner sie Lauren geschenkt hatte. »Ja, wieso?«
»Ein Geschenk von Dad«, erklärte Bradley.
Erin hielt die Luft an, in ihren dunklen Augen blitzte die Wut auf. »Woher willst du das wissen?«
»Ich habe die Quittung auf seinem Schreibtisch gesehen. Ich habe nicht geschnüffelt. Die Quittung und die Tickets lagen ganz offen herum. Wie teuer die Uhr war, willst du sicher nicht wissen.«
»Was denkt er sich eigentlich dabei?«, brach es aus Erin heraus. »Begreift er denn nicht, dass sie ihn nur ausnimmt?«
Bestürzt schüttelte Bradley den Kopf. Er wusste, sein Vater dachte nicht, jedenfalls nicht mit dem Kopf. Er betete nur, dass er nichts wirklich Unüberlegtes machte, zum Beispiel um Laurens Hand anhalten.
Erin sank in sich zusammen. »Was soll denn heute noch alles passieren?«, jammerte sie.
»Wieso? Was ist denn los?«, fragte Bradley und setzte sich neben sie.
»Ich hatte gerade ein Gespräch mit meinem Verlobten«, antwortete Erin. »Er meinte, er wolle mindestens vier Kinder.«
»Ist das ein Problem? Du wirst doch bestimmt Kindermädchen engagieren können.«
»Die Kindermädchen werden die kleinen Bälger aber nicht zur Welt bringen und sie auch nicht stillen«, stieß Erin ungehalten aus.
Bradley stutzte. Erin verfiel nie ins Träumen, wenn es um Babys ging, dass sie das Mutterwerden jedoch derart ablehnte, hatte er nicht gewusst.
»Ach, Bradley, ich war nie der mütterliche Typ«, erklärte Erin. »Nicht mal Haustiere mag ich besonders. Sei ehrlich, siehst du mich als Mutter von vier Kindern?«
Bradley konnte sich das Grinsen kaum verkneifen. »Nein«, gab er zu. »Aber ob du schwanger wirst oder nicht, liegt doch bei dir. Es ist dein Körper, und du hast die Macht über gewisse Dinge.«
Nachdenklich musterte Erin ihren Bruder. »Wie kommt es, dass du über gewisse Dinge so genau Bescheid weißt?«
»Ich … ich lese ziemlich viel«, antwortete Bradley feixend.
»Das muss wohl stimmen. Du hast recht. Andy mag mich ja überredet haben, ihn zu heiraten und zur Feier hundert Gäste einzuladen, aber Kinder werde ich erst bekommen, wenn ich dazu bereit bin − wenn überhaupt«, sagte sie schmunzelnd.
»Genau, Schwesterchen«, erwiderte Bradley.
5
Am Mittwoch vor ihrer Hochzeit öffnete Erin die Galerie Forsyth früher als üblich, denn sie wollte früh schließen und ihr Hochzeitskleid abholen, das nach einer letzten Anprobe geändert worden war. Ihr Vater hatte versprochen, sich den ganzen Donnerstag und Freitag, wenn sie mit den allerletzten Hochzeitsvorbereitungen beschäftigt sein würde, um die Galerie zu kümmern.
Für die Flitterwochen hatte Andy eine Woche in Firostefani gebucht, einer sehr abgeschiedenen und exklusiven Gegend auf der griechischen Insel Santorin. Erin freute sich schon sehr auf die Reise, weil er ihr versprochen hatte, sie würden von der Terrasse ihrer Villa, die der Tante eines Freundes gehörte, einen großartigen Blick auf den Vulkan und die Ägäis haben. Die Villa, so wusste Andy zu erzählen, war mit jedem nur erdenklichen Komfort ausgestattet, auch mit einem steinernen Kamin, für die kühlen Septemberabende ideal. Andy hatte
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