Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
gewesen.
In seinem Büro war Andy nicht, also ging Erin in die Hotelhalle zurück. An der Rezeption sah sie Melanie Sinclair. Sie war noch jung, gab sich jedoch alle Mühe, tüchtig zu sein und ihre Arbeit mehr als gut zu erledigen. Ihr Vater war seit der Renovierung des Hotels Oberkellner im Restaurant Landau.
»Guten Morgen, Melanie«, sagte Erin in der Hoffnung, man sähe ihr nicht an, dass sie geweint hatte. »Wissen Sie, wo ich Andy finde?«
Melanie merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Erin war sonst immer beherrscht und tadellos zurechtgemacht. »Nein, Erin, wenn er nicht im Büro ist, weiß ich auch nicht, wo er sein könnte. Ist alles in Ordnung?«
»Ja, danke. Aber Andy ist im Hotel, oder?« Erin war am Boden zerstört.
»Soweit ich weiß, ist er hier, Erin«, antwortete Melanie. »Soll ein Page ihn suchen?«
»Nein, ich warte in seinem Büro.«
Die Gefühle nahmen wieder überhand, und ihre Überreaktion kam Erin plötzlich albern vor. Sie wollte sich erst einmal wieder beruhigen, am Ende hielt Andy seine zukünftige Frau noch für hysterisch.
»Gut«, erwiderte Melanie. »Oh, einen Moment bitte. Ich habe hier etwas für Sie. Es ist vorhin bei mir abgegeben worden.«
Ein Hochzeitsgeschenk – Erin war sich sicher. Die ganze letzte Woche schon waren Geschenke eingetroffen. »Wenn es ein Geschenk ist, nehme ich es später mit«, sagte sie und wandte sich zum Gehen um.
»Ich glaube nicht, dass es ein Geschenk ist«, sagte Melanie. »Ein Kurier hat es gebracht. Er meinte, es sei vom Highlander Hotel in Schottland und solle unbedingt der Verlobten von Mr. Stanford übergeben werden.«
»Oh.«
Erin war verwirrt, sie kannte außer Andys Mutter niemanden in Schottland. Sie nahm das kleine Päckchen und ging in Andys Büro, wo sie es öffnen wollte. Andy hatte im Hotel Glaswegian übernachtet, er hatte sie von dort angerufen. Weshalb schickte man ihr etwas vom Highlander Hotel?
Erin riss das Päckchen auf. Zu ihrem Erstaunen entdeckte sie eine Damenarmbanduhr, doch dann las sie das kurze Begleitschreiben. Darin hieß es, sie habe die Uhr im Hotel liegen lassen. Ihr erster Gedanke war, dass jemand einen Fehler gemacht haben musste. Im Highlander Hotel war sie nie gewesen. Sie beschloss, Melanie zu bitten, die Uhr zurückzuschicken, entschied jedoch spontan, den Irrtum selbst aufzuklären.
Erin bat von Andys Telefon aus die Telefonistin im Hotel, sie mit dem Highlander Hotel in Glasgow zu verbinden. Als sich die Angestellte an der Rezeption dort meldete, erklärte Erin, wer sie war.
»Ach, wie schön, dann haben Sie Ihre Uhr bekommen«, sagte die Rezeptionistin.
»Ich habe eine Uhr bekommen, ja, aber …«
»Die Putzfrau hat sie unter dem Bett gefunden. Sie muss vom Nachttischchen gefallen sein«, erklärte die Empfangsdame. »Eine so schöne Uhr, da dachte ich, Sie würden sich freuen, wenn Sie sie wiederbekommen.«
»Da muss ein Irrtum vorliegen, ich …« Es knackte und rauschte in der Leitung. »Ich bin nie in … Hören Sie mich noch? Hallo?«
»Sie müssen etwas lauter sprechen, bitte, ja? Es ist ziemlich stürmisch seit Ihrer Abreise, es ist geradezu gespenstisch, wie der Wind ums Haus heult. Der Aufenthalt hier bei uns mit Ihrem Verlobten war doch angenehm, ja? Es war doch wohl hoffentlich alles zu Ihrer Zufriedenheit, ja?«
»Ich bin nicht …«, begann Erin. Wieder rauschte es in der Leitung.
»Sie waren also nicht zufrieden, nein? Mr. Stanford meinte, der Bückling zum Frühstück hätte Ihnen besonders gut geschmeckt«, sagte die Empfangsdame.
»Bückling zum Frühstück!« Erin verabscheute Bückling. »Da … da muss einfach ein Irrtum vorliegen«, stammelte sie. Auf einmal fiel ihr Andys Onkel Luke ein. Sicherlich hatte er ein Stelldichein mit einer jungen Frau in Schottland gehabt. Seit seine Frau ihn verlassen hatte, weil er hinter jedem Rockzipfel her war, hatte sein Ruf als Schürzenjäger nur noch größere Dimensionen angenommen. Es sah ihm ähnlich, eine seiner Gespielinnen als seine Verlobte auszugeben. »Mein Verlobter ist Andrew Stanford, nicht Luke Stanford«, erklärte sie. »Offenbar war Luke Gast in Ihrem Haus.«
Eine Weile herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung.
»Sind Sie noch da?«, fragte Erin.
»Ja, ja, ich bin noch da. Und nein, es war Andrew Stanford, der bei uns übernachtet hat«, erwiderte die Empfangsdame. »Er war mit seiner Verlobten hier. Das wären dann doch wohl Sie, oder?«
Die Gedanken in Erins Kopf überschlugen sich. Sie
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