Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
Opal bekommt man ganz bestimmt nur einmal im Leben zu sehen.«
»Natürlich, aber Marlee soll ihren Gula nicht mit herunterhängendem Kopf sehen.«
»Ich werde sie ablenken«, schlug Carol-Ann hilfreich vor. Sie ging zu den Mädchen, die sich gerade auf Cornelius stürzten und ihn kitzelten. Sie amüsierten sich prächtig. »Na kommt, Mädchen,lasst Onkel Cornelius mal Atem holen«, sagte sie. »Ich habe Eiscreme für euch in der Küche.«
Kreischend vor Freude folgten die Mädchen Carol-Ann ins Haus. Cornelius ging auf die Veranda zurück und setzte sich neben Erin.
»Puh«, sagte er und holte tief Luft. »Diese Mädchen schaffen es noch, dass ich mir so alt vorkomme wie die antiken Pyramiden.«
»Ich muss dir was zeigen, Onkel Cornelius«, sagte Erin. »Da fühlst du dich gleich wieder wie zwanzig.« Sie hielt den Opal hinter ihrem Rücken verborgen, dann streckte sie die Hand vor.
»Was hast du denn da?«, fragte Cornelius erwartungsvoll.
Erin hielt den Stein in der ausgestreckten Hand. »So etwas hast du doch bestimmt noch nie gesehen, oder?«
Cornelius starrte auf den Opal, als könnte er nicht glauben, was er da sah. »Herr im Himmel!« Er holte tief Luft und richtete sich auf. »Das ist das … das, was ich denke?«, fragte er. Auf eine Erklärung wartend, schaute er Jonathan an. Alle möglichen Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Er war sicher, Jonathan hatte sie nicht absichtlich belogen, aber er war verwirrt.
»Ja, das ist der Olympic Australis«, sagte Jonathan. »Wir haben ihn gerade gefunden.«
»Sie haben ihn gefunden!« Cornelius starrte Jonathan verständnislos an. »Wo haben Sie ihn gefunden?«
Jonathan war klar, was Cornelius dachte. Dass er sie alle angelogen hatte, als es um die Frage ging, wo der Stein sein könnte.
»Er war in Marlees Teddybär, Onkel Cornelius«, sagte Erin leise, damit die Kleine sie in der Küche nicht hörte.
Jonathan zeigte Cornelius die aufgerissene Naht am Hals des Teddys. »Die Füllung guckte heraus. Erin steckte sie wieder hinein, und da fiel ihr auf, dass etwas Hartes in dem Teddy war. Wir entdeckten den Opal. Marlee hat ihn die ganze Zeit mit sich herumgetragen.« Er riss die Augen auf, als ob ihm plötzlich etwas eingefallen wäre. »Jetzt ergeben Andros letzte Worte auch einen Sinn.«
»Was hat er denn gesagt?«, fragte Erin.
»Kurz vor seinem letzten Atemzug nahm er mir das Versprechen ab, dafür zu sorgen, dass Marlee nie ihren Teddy verlor. Damals war mir klar, er würde bald sterben, was dann ja auch so kam. Ich fand es dennoch ziemlich mysteriös, dass er sich um einen Teddy sorgte.«
»Gut möglich, dass Sie nie erfahren hätten, dass der Stein in dem Bären steckte«, sagte Erin und versuchte sich vorzustellen, Marlee wäre eines Tages aus dem Teddybäralter herausgewachsen und hätte ihn weggeworfen.
»Ja, genau. Wenn die Naht nicht geplatzt wäre, hätten wir das nie herausgefunden. Wie konnte Andro nur glauben, dass wir den Opal finden?«
Hatte Cornelius nur den leisesten Zweifel an Jonathans Ehrlichkeit, verflüchtigte dieser sich jetzt. »Selbst im Rohzustand ist der Stein atemberaubend«, sagte er, die Intensität der Farben bewundernd. »Ich müsste raten, wie viel Karat wir hier haben, aber eines weiß ich sicher: Es ist zu neunundneunzig Prozent Edelstein, mit einem Prozent Schmutz vielleicht. So etwas habe ich wirklich noch nicht gesehen. Ich bezweifle, dass solch ein prachtvolles Stück je wieder gefunden wird.« Er schüttelte den Kopf und lachte vor Entzücken. »Ich fasse es einfach nicht, dass ich etwas so Einzigartiges und Kostbares in der Hand halte.«
Erin lächelte. Sie wusste, dass er als Edelsteinhändler gerade einen ganz besonderen Moment erlebte.
»Was machen Sie jetzt damit?«, fragte Cornelius. »Sie können den Opal nicht einfach so herumliegen lassen. Er sollte an einem sehr sicheren Ort verstaut werden.«
»Wir haben beschlossen, ihn wieder in den Teddybären zurückzustecken«, antwortete Jonathan. »Das ist der sicherste Platz.«
»Sind Sie vollkommen verrückt geworden, Jonathan? Sie können doch Marlee nicht die Verantwortung für diesen kostbaren Stein überlassen«, bemerkte Cornelius ungläubig. »Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie viel er wert ist? Tausende von Pfund müssen das sein.«
Er versuchte sich vorzustellen, dass Marlee ihren Gula mit dem Olympic Australis darin während der langen Reise von Coober Pedy über den Ayers Rock nach Alice Springs stets bei sich getragen hatte, dass sie ihn
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