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Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Titel: Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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eben erst hatte Erin sich tränenreich von Jonathan und Marlee verabschiedet, ehe die beiden mit einem Taxi zum nächstgelegenen Bahnhof gefahren waren. Sie wollten zu Jonathans Mutter, die in North Finchley lebte. Die Reise von Alice Springs nach London war überraschend angenehm verlaufen, trotz der Flugdauer, des mehrmaligen Umsteigens und der Aufenthalte in Darwin, Hongkong und der Türkei.
    Für Marlee war die Reise ein einziges Abenteuer. Eine neue Welt eröffnete sich ihr, und das machte es auch für Erin und Jonathan zum Vergnügen. Die Aufregung überwältigte sie, als das Flugzeug abhob und sie durch das Fenster beobachtete, wie es durch die Wolken brach und immer höher stieg. Dass sie so hoch oben in der Luft waren und sich so schnell fortbewegten, war jenseits ihres Fassungsvermögens.
    In der Woche vor der Abreise hatte Erin für Marlee Kleider, Söckchen und eine leichte Strickjacke gekauft. Wärmende Winterkleidung bekam man im Sommer in Alice Springs allerdings nicht, also hatten sie während des fünfstündigen Aufenthalts in Hongkong noch einige Einkäufe getätigt. Sie hatten einen fellbesetzten Anorak und Wollröcke gefunden, Pullover und lammfellgefütterte kleine Stiefel. Für Erin war es das größte Vergnügen überhaupt gewesen, und Marlee war außer sich vor Freude. Für die letzte Etappe der Reise hatte Erin die Kleine warm angezogen, sodass sie nicht frieren musste, als sie an diesem bitterkalten englischen Wintermorgen das Flugzeug verließen und über das Rollfeld in die Flughafenhalle liefen.
    Jonathan war Erin mehr als dankbar für alles, was sie für ihn, vor allem aber für Marlee getan hatte, und er versprach, sich bald bei ihr zu melden. Dann war die Zeit für den endgültigen Abschied gekommen.
    Ich werde Sie weit mehr vermissen, als Sie je ahnen werden, hatte er gesagt und Erin mit solcher Sehnsucht in die Augen gesehen, dass sie wagte zu hoffen, dass er sie genauso sehr liebte wie sie ihn. Eine halbe Ewigkeit hatten sie sich umarmt. Als es an der Zeit gewesen war, sich von Marlee zu verabschieden, hatte sie ihre Tränen nicht länger zurückhalten können. Sie hatte die Kleine fest in den Arm genommen und ihr gesagt, sie habe sie sehr lieb. Auch Marlee hatte geweint.
    Erin hatte es fast das Herz zerrissen, als Marlee immer und immer wieder ihren Namen gerufen hatte. Sie hatte sich umgedreht und gewinkt, von Tränen geblendet, war aber weitergegangen. Bradley hatte sich zum Glück ein paar Minuten verspätet, und das hatte ihr Gelegenheit gegeben, die Fassung wiederzugewinnen.
    »Es war eine lange Reise, Bradley«, sagte Erin, in der Hoffnung, ihm so ihre Müdigkeit und die geröteten Augen erklären zu können. Über Jonathan und Marlee wollte sie nicht sprechen, sie fürchtete, sie würde zusammenbrechen und schluchzen müssen. »Wie geht es Vater? Du hast ihm doch nicht gesagt, dass ich heute ankomme, oder? Ich möchte ihn überraschen.«
    »Nein, ich hab ihm nichts erzählt. Wir fahren sofort in die Galerie, wenn du nicht zu müde bist«, erwiderte Bradley. »Dann kannst du gleich selbst sehen, wie es ihm geht.«
    »In Ordnung«, sagte Erin. Sie war ohnehin zu aufgekratzt, um schlafen zu können.
    Auf der Fahrt in die Galerie berichtete Bradley ihr alles, was in der Zwischenzeit passiert war, eine willkommene Ablenkung. Die Geschäfte in den Galerien liefen furchtbar schlecht.
    »Und was mich auch sorgt, ist, dass Dad einen zu hohen Blutdruck hat. Er hat häufig Kopfschmerzen und fühlt sich schwindlig.«
    »Das überrascht mich nicht«, bemerkte Erin. »Mom hat sich immer um Dads Gesundheit gekümmert, wahrscheinlich zulasten ihrer eigenen. Was ist mit Lauren? Ist Dad immer noch so fasziniert von ihr, oder hat das nachgelassen?«
    »Nein, leider ist immer noch alles beim Alten, ich traue ihr nicht mehr als vor ein paar Wochen. Ich hatte dir ja schon geschrieben, dass ich sie ein bisschen überwache.«
    »Ach, Bradley, ich hoffe, sie macht dir das Leben nicht allzu schwer«, sagte Erin besorgt.
    »Ich bin ihr völlig egal. Sie behandelt mich wie einen geistig Behinderten, weil ich hinke«, erklärte Bradley.
    Erin war entsetzt. »Das ist doch wohl nicht dein Ernst«, rief sie empört. Es verblüffte sie, dass ihr Bruder das nicht als schwere Kränkung empfand.
    »Es hat einen Riesenvorteil«, erklärte Bradley mit einem kleinen boshaften Zwinkern.
    »Wieso das denn?«, fragte Erin.
    »Ich spioniere ihr bei jeder sich bietenden Gelegenheit nach. Manchmal folge ich ihr im Haus

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