Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt
Hilfe des Kraftprotzes, der sich bei dem Tisch mit den Krimis von Valgardur platziert hat, die Menge überragt und den kleineren Leuten auf Wunsch ein Buch aushändigt.
Als Helgi an meiner Seite erscheint, unterstehe ich mich, dieses Desaster auch nur mit einem Wort zu kommentieren, bis er sehr ernst fragt, ob ich mein ganzes Leben lang bei einem Verlag arbeiten wolle. Daraufhin stoße ich ein Lachen aus, zusammen mit einem halbverdauten Joghurt.
*
Ich will warten, bis wir das Klo erreichen, bevor ich den Bärenkopf abnehme, damit der Gestank den Würstchenessern nicht den Appetit verdirbt. Umsichtig führt Helgi mich in die richtige Richtung und lässt sich von dem Spott der anderen Kinder nicht irritieren. Sehr zu seinem Leidwesen bleibe ich plötzlich stehen, weil ich glaube, Arndís Lebensgefährten Gardar gesehen zu haben, zusammen mit einem kleinen Mädchen in einem roten Mantel mit großer bunter Peru-Mütze.
Ja, ich habe mich nicht getäuscht, das ist er. Ich will schon zu ihm hingehen und fragen, ob es etwas Neues gibt, doch ich tue es nicht, denn ich will sie nicht erschrecken. So wie ich aussehe und ausdünste, kann ich kaum vor ihnen auftauchen und so etwas sagen wie: Keine Angst, ich bin’s nur. Nein, das kommt nicht in Frage, obwohl ich Arndís Tochter gern einmal gesehen hätte. Ob sie ihr wohl ähnlich ist?
Mach schnell, drängelt Helgi, du riechst schlecht. Ich lasse seine Hand los und renne los, den ganzen Weg bis auf die Toilette, wo eine ältliche Putzfrau zugibt, meine Kleider in den Müllcontainer geschmissen zu haben. Die lagen hier aber auch so rum wie irgendwelcher Kram, entschuldigt sie sich vorwurfsvoll.
Der Teddy musste schnell auf die Bühne, zische ich und sehe in ihre alten, neugierigen Augen, bis ich mich langsam beruhige. Dann frage ich, ob sie rein zufällig Raucherin ist.
*
Sie haben den armen Kerl hinausgeworfen, stelle ich fest, als ich auf dem Weg zum Notausgang noch einmal in die Behindertentoilette schaue und dann hastig weitergehe, mit gewaschenem Gesicht und Seifenflecken im Fell. Ich komme an einem Verkaufsständer mit CDs vorbei, Helgi betrachtet sie und fragt, ohne aufzusehen, wo ich eigentlich hinwolle.
Nach draußen, um meine Sachen zu suchen. Und um eine zu rauchen.
Er schreit fast vor Empörung. Aber du rauchst doch gar nicht!
Früher habe ich mal geraucht, und jetzt rauche ich auch wieder. Sonst nicht. Also sei so nett und sag es keinem weiter.
Wir sehen uns in die Augen. Schließlich nickt er und wendet sich wieder den CDs zu, während ich weiterlaufe.
Nirgendwo hat man seine Ruhe. Kaum habe ich die Zigarette im Windschatten des Müllcontainers angezündet, kommt eine Frau vorbei, die einen kleinen Jungen an der Hand hält, und er ruft: Kuck mal, Pu der Bär hat seinen Kopf abgenommen und raucht!
Ruhig und besonnen sehe ich ihn an und sage: Ich bin nicht Pu der Bär, ich bin Strindberg. Der Spaß ist vorbei, Kleiner.
Aber der Junge lacht nur, während die Frau ihn weiterzieht. Manche Kinder denken, alle Leute seien witzereißende Weihnachtsmänner.
*
Ich drücke die Zigarette an dem Müllcontainer aus und sehe zu, wie einzelne Glutteilchen in das Bärenfell fliegen, dort kurz auflodern und dann ersterben. Es wäre klüger gewesen, erst die Klamotten zu suchen und dann zu rauchen. Als ich aufsehe, stehen drei Männer vor mir, ihre Hautfarbe ist dunkel, sie sind glatt rasiert und starren mich an, die Sonne erleuchtet ihren Atem, der im Frost zu sehen ist. Sie sehen einander an, Schatten fallen auf ihre hageren Gesichter.
Ich habe mich nicht getäuscht, einen von ihnen kenne ich. Nur woher? Ich kneife die Augen zusammen, er steht so nah vor mir, wir sehen uns in die Augen. Ganz kurz. Die Wut in seinem Blick lässt meine Glieder gefrieren, durchdringt jede Zelle. Was wollen die von mir? Sie kommen immer näher, so dass ich mich kaum noch bewegen kann, und drängen mit hektischen Bewegungen weiter und weiter. Starren mich an und versprühen Atemkristalle, als sie auf Spanisch fordern, ich solle ihnen sagen, wo meine Freundin abgeblieben sei.
Woher soll ich das wissen?, schluchze ich und fühle, wie ein Urintropfen auf meine trockene Damenbinde fällt. Ich bin ganz eindeutig in einem Verhör gelandet. Wurde auch langsam Zeit, dass mich jemand verhört. Dass ein fanatischer Blick mein Gesicht durchdringt und sich in einem Gehirn einnistet wie ein Marder. Sie fordern, dass ich ihnen alles gestehe. Nur was? Blut schießt mir in den Kopf, gleich platzen die
Weitere Kostenlose Bücher