Jenseits des Meeres
keineswegs etwa eifersüchtig, sondern nur um dieses unschuldige Mädchen besorgt sei. Ein Frauenheld wie er würde Megan nur verletzen. Kieran hatte selbst gesehen, wie der junge Kettering die jungen Damen bei Hofe umwarb, sie dann aber, wenn er ihrer überdrüssig geworden war, fallen ließ. Niemand, nicht einmal Königin Elizabeth, war gegen seinen Charme gefeit.
Jetzt legte Sir Cecil einen Arm um Megan. „Wie furchtbar, meine Liebe, wenn man seine eigene Familie nicht kennt. Könnt Ihr Euch denn an gar nichts erinnern?“
„Nein.“
„Es ist nur gut, dass Ihr Euch in dieser schlimmen Zeit auf uns verlassen könnt.“
Unwillkürlich straffte sie die Schultern und hob trotzig das Kinn. „Die Erinnerung wird zurückkommen. Und im Übrigen bin ich keine hilflose Frau.“
Sir Cecil lachte leise. „Das sehe ich.“ Mit einem bewundernden Blick fügte er hinzu: „Was Ihr jetzt braucht, ist Ruhe und Mistress Peakes wundervolle Mahlzeiten.“
„Das brauchen wir alle.“ Kieran leerte seinen Krug. „Wenn Ihr uns bitte entschuldigen wollt - wir werden uns erst einmal frisch machen, ehe wir das Abendmahl einnehmen. Mutter, würdest du bitte Lady Megan zu ihren Gemächern führen? Ich möchte, dass sie in den Räumen untergebracht wird, von denen aus man auf den Garten schauen kann.“
„Wie du willst, Kieran.“ Lady Katherine bedachte ihn wegen seiner Schroffheit mit einem tadelnden Blick, unterdrückte dann jedoch rasch ihren Ärger. Ihre Söhne hatten schließlich eine lange und unerfreuliche Reise hinter sich, und man durfte ihnen nicht übel nehmen, wenn sie ein wenig unwirsch waren. Lady Katherine wandte sich an Megan. „Folgt mir bitte, meine Liebe.“
Megan kam der Aufforderung nach und ließ sich von Lady Katherine in den ersten Stock führen.
„Dieses werden Eure Gemächer für die Zeit Eures Aufenthaltes hier sein“, erläuterte Lady Katherine und führte Megan in einen Raum mit Türen zu beiden Seiten. „Falls Ihr noch irgendetwas benötigt, braucht Ihr nur den Klingelzug zu betätigen, und eine Dienerin wird kommen und nach Euren Wünschen fragen.“
Im Kamin brannte ein Feuer, vor den man eine Sitzbank sowie mehrere gepolsterte Stühle gestellt hatte. Auf dem Tisch stand ein Krug Wasser mit Kristallkelchen. Lady Katherine durchquerte den Raum und öffnete eine der Türen. Dahinter sah Megan ein breites Bett mit feinen Leinenbehängen. Dienstboten huschten im Raum umher und brachten alles in Ordnung.
„Erfrischt Euch, und ruht Euch dann aus, meine Liebe. Die Dienstboten werden Euch alle Wünsche erfüllen. “
„Ich danke Euch, Lady Katherine. Ihr seid zu gütig.“
Megan ahnte nicht, wie müde sie aussah, doch Lady Katherine entging es nicht. Mit kurzen, ungehaltenen Handbewegungen scheuchte sie die Dienstmädchen aus dem Raum.
Nachdem sie allein war, ließ sich Megan auf das Bett fallen. Sie nahm sich nicht die Zeit, ihre zerrissenen, ausgeblichenen Sachen abzulegen, und sie schlug auch nicht die Bettdecke zurück. Innerhalb weniger Augenblicke war sie fest eingeschlafen.
9. KAPITEL
„Mylady.“
Megan erwachte aus dem Traum, in dem sie ein junges Mädchen gewesen war und mit zwei Gleichaltrigen unter einem großen Federbett gelegen hatte. Die Mädchen hatten über irgendetwas gekichert, doch nachdem Megan nun wach war, erinnerte sie nicht mehr, weshalb. In diesem Traum hatten die beiden Mädchen ihr sehr viel bedeutet.
Jetzt öffnete sie die Augen, erblickte eine Dienerin und überlegte, wer diese wohl sein mochte und was sie mit ihr zu tun hatte.
„Lady Katherine befahl uns, Euch das Bad zu richten und Euch bei Eurer Toilette zu helfen, Mylady.“
Megan setzte sich auf. Vor dem Ofen stand auf einem Schafsfell ein Badezuber mit dampfendem Wasser. Eine Anzahl Dienstboten kam mit Gewändern, Unterkleidern sowie Pantöffelchen ins Zimmer. Alles wurde auf das Fußende des Betts gelegt.
„Möchtet Ihr zunächst mit dem Bad beginnen, Mylady?“
„Gern.“ Erfreut schlüpfte Megan aus dem Bett und eilte zum Zuber. Eine Dienerin entkleidete sie und half ihr, sich in das duftende Wasser zu setzen. Eine zweite Dienerin begann sofort damit, ihr das Haar zu waschen.
Megan lehnte den Kopf zurück und seufzte wohlig. Wann hatte sie das letzte Mal einen solchen Luxus genießen können? Nachdem ihr Haar gewaschen war, kämmte eine andere Dienerin ihr die wirren Locken aus, bis das feuchte Haar in Wellen herabfiel.
Eine weitere Zofe trat ein, schöpfte mit Eimern mehrmals Wasser aus
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