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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Osten noch in topographischer Unzweideutigkeit, doch bereits in den Bergen Abessiniens zerfaserten seine Ränder. Im Westen verloren sie sich in den sandigen Weiten der Sahara, und im tiefsten Süden ertranken sie in schmatzenden Sümpfen und in Morast. Noch nicht einmal der Name war eindeutig: bilad as-Sudan , das Land der Schwarzen, hatten die Araber des zwölften Jahrhunderts es ebenso schlicht wie lieblos benannt.
    Der Sudan umfasste ein Gebiet, das zu groß war, als dass es Zusammenhalt finden könnte, geschätzt eine Million Quadratmeilen. Zu vielgestaltig vor allem stellte es sich dar. Ein von seinem Schöpfer hastig und wahllos zusammengefügter Flickenteppich aus unwirtlichen Küsten und unfruchtbaren Wüsten, aus saftigen Savannen und stillen Seen und Flusstälern, aus gierigen Sümpfen und trockenen Hügeln und Gebirgszügen, nur loseverbunden durch eine löchrige, grobe Naht aus dem Zwirn der Steppe. Kein freundliches Land war es, manche nannten es gar ein grausames, ein mörderisches Land. Doch der Sudan war vielmehr einfach gleichgültig. Er scherte sich nicht darum, wie es denen erging, die den Fuß auf den Boden dieses Landes setzten; er zuckte allenfalls mit den Schultern und harrte weiter aus, schweigend und mit abgewandtem Blick.
    Dennoch lebten Menschen hier; wie lange schon, das wusste niemand, denn keiner hatte je danach gefragt. Menschen, deren Gesichter in allen Farbtönen zwischen dunklem Honig, Rostbraun und Zimtfarben bis hin zu Kakao und Ebenholzschwarz Zeugnis ablegten von der über Generationen immer neu angerührten Mischung aus arabischem und afrikanischem Blut. Wie viele Menschen hier lebten – niemand wusste es mit Sicherheit zu sagen, denn keiner hatte sie je gezählt; mehrere Millionen sicherlich, versprengt wie die Sterne am Himmel. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihren Stämmen gültige Namen zu geben oder ihre Sprachen zu unterscheiden. Stämme, die im reichen Nilschlamm Gemüse und Getreide anbauten und sich zu Dörfchen zusammengeschlossen hatten; Stämme, die Viehherden hielten, und Stämme, die sich von der Jagd ernährten; Stämme, die als Nomaden umherzogen, um Wasser und Weidegrund für ihre Kamele zu suchen. Stämme, die teils friedlich nebeneinander und miteinander lebten, aber wesentlich häufiger in Streit gerieten und Fehden ausfochten, und während die Menschen im Norden Allah priesen, opferten die Menschen im Süden heidnischen, zornerfüllten Göttern und den Geistern ihrer Ahnen.
    Dies war kein Land, das sich erobern oder einverleiben ließe, sollte man meinen. Und doch hatte Ägypten genau das getan, vor mehr als einem halben Jahrhundert. Denn die Provinz von Sennar war eine Schatzkammer, üppig gefüllt mit dem kostbaren, rieselnden Gold des Korns, und wo Korn wuchs, ließ sich auch Baumwolle anbauen. Zum Westen hin, in Kordofan und Darfur, gab es Weideland für das Vieh und Stammesmänner, die Giraffenwegen ihres hübsch gemusterten Fells und Straußenvögel wegen der begehrten Schmuckfedern zu erlegen wussten. Bahr el-Gazal konnte mit Wäldern aufwarten, die sich abholzen ließen, und im Süden schließlich, zwischen den Baumriesen tropischer Wälder und Ebenen mit sanft wogendem Gras, fand sich der zweitgrößte Reichtum des Sudan: Elefanten. Herden und noch mehr Herden von Elefanten, Herden mit bis zu vierhundert Tieren, die majestätisch wiegenden Schrittes durch die Wildnis zogen, und jeder dieser grauen Dickhäuter trug in Gestalt seiner Stoßzähne rund zweimal neunzehn Pfund des begehrten Elfenbeins mit sich. Ein einträgliches Geschäft, sie jagen und dann abschlachten zu lassen, weil die Stämme entlang des Weißen Nils keine Vorstellung vom Wert des Elfenbeins hatten. Ein Elefantenjäger war mehr als zufrieden, wenn er für einen Stoßzahn eine Handvoll venezianischer Glasperlen erhielt, die zwei Shilling gekostet hatten, während ein Pfund Elfenbein für zehn Shilling gehandelt wurde.
    Der größte Reichtum jedoch lag nicht im weißen Gold des Elfenbeins, sondern im schwarzen Gold der Sklaven. Mit dem Sklavenhandel blühte der Sudan auf, und viele Menschen verdienten gut daran.
    Und da die Ägypter nun schon einmal hier waren und auch selbst etwas davon hatten, führten sie neue Feldfrüchte und Anbaumethoden ein, machten Nomaden sesshaft, errichteten Schulen und Hospitäler, ließen Eisenbahnschienen verlegen und Telegraphendrähte ziehen und Dampfschiffe auf dem Nil fahren. Nicht umsonst natürlich: die Bashi-Bazouks, irreguläre Truppen

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