Jenseits des Spiegels
gesprochen. Er glaubt dass ich durch ein Portal der Hexen gefallen bin – was wahrscheinlich nur wegen meiner Tätowierung möglich war.“ Das zumindest hatte ich mir dazu gereimt. „Und jetzt müssen wir nur einen Zirkel finden, der uns ein Tor zur Verfügung stellt, das ich passieren kann.“
„Dann gehst du also wirklich.“
Seine Stimme hörte sich so betrübt an, dass ich einfach aufblicken musste, aber was ich sah, war einfach nur Veith, eine undurchdringliche Festung. Hatte ich mir diesen Unterton nur eingebildet? Wahrscheinlich.
Schweren Herzens rückte ich ein wenig von ihm fort, und versuchte die Spuren meines kleinen Zusammenbruchs mit der Hand wegzuwischen. Es half nicht viel. Meine Augen fühlten sich heiß und geschwollen an, und die nächste Ladung Tränen saß schon in den Starlöchern, bereit mich jederzeit wieder zu blamieren. „Tut mir leid, dass ich dich vollgerotz habe.“ Na ganz große Klasse, darauf hatte ich ihn jetzt wirklich noch aufmerksam machen müssen.
Veith hatte nicht mal ein Blick für seine tränenfeuchte Brust übrig, seine Augen lagen die ganze Zeit auf mir. „Ich möchte dir noch danken, dass du uns helfen wolltest.“
„Naja, war ja auch nicht ganz uneigennützig, wie?“ Ich lachte abgehackt. Es war kein fröhliches Geräusch. „Ich wollte euch wiedersehen, und dass schien mir Vorwand genug, damit ihr mich nicht sofort wieder abweist. Nicht dass du jetzt denkst, ich hab mir das ausgedacht, damit ich bei euch reinplatzen kann“, fügte ich schnell hinzu. Gott, was redete ich da eigentlich für ein Müll?
„Ich weiß, sowas würdest du nie tun.“
„Sicher?“
Statt mir eine Antwort zu geben, nahm er meine Hand, strich die einzelnen Finger und Glieder nach, ohne mir in die Augen zu sehen. Meine Sinne standen sofort stramm, und schickten mir jede Berührung bis runter in die Zehen. Auf seiner Stirn entstand seine typische Falte, als er den Hubel an meinem kleinen Finger nachfühlte.
„Was ist?“
„Dein Finger, er war mal gebrochen.“
„Tatsächlich?“ Ich beugte mich nach vorne.
„Ja hier, siehst du diese kleine Beule? So etwas habe ich auch.“ Er zeigte mir seinen kleinen Finger. Genau wie meiner hatte er einen kleinen Huckel, der Finger war nicht ganz grade. „Ich hab ihn mir als Welpe gebrochen. Pal hat Kovu geärgert, da hab ich ihn verhauen. Dabei ist das passiert.“
Er erzählte mir etwas über sich. Oh mein Gott! Er erzählte
mir
etwas über sich. Etwas Privates, ganz freiwillig und ohne Druck. Jetzt bloß keinen Fehler machen. „Du warst also schon als kleiner Junge so ein beinharter Kerl“, neckte ich ihn.
Er ließ meine Hand los, und sah zum Himmel hinauf. Die erste Sonne war bereits verschwunden, und die zweite schickte sich nun auch an, für die heran brechende Nacht zu verschwinden. „Es ist spät, wir sollten wieder hineingehen.“
Und er hatte wieder dichtgemacht. Seufz. Aber wenigstens hatte er mir für einen kleinen Moment Einsicht in sich gegeben. Das war doch schon mal ein Fortschritt. Wenn ich Glück hatte, würde er mich in drei Jahren nicht mehr als Eindringling betrachten, und in Zehn war ich vielleicht eine gute Bekannte. Obwohl, das würde niemals eintreffen, da er morgen aus meinem Leben verschwinden würde. Zusammen mit den anderen. Wenigstens würden sie sich dieses Mal nicht einfach klammheimlich aus dem Staub machen. Na das waren doch mal nette Aussichten.
Obwohl ich noch nicht rein wollte, erhob ich mich, als er aufstand, und lief schweigend neben ihm ins Haus. Veith brachte mich sogar noch zu meinem Zimmer, aber dieses Mal lud er mich nicht ins Schlaflager der Werwölfe ein. Ich verstand, wir verabschiedeten uns bereits. Jede weitere Minute mit ihnen zusammen, würde es mir nur noch schwerer machen. Und trotzdem öffnete ich nicht die Tür, als wir davor standen, und uns einfach nur ansahen. Ich wollte mich vorbeugen, wie ich es schon einmal getan hatte, und für einen kurzen Moment glaubte ich, dass auch er es wollte, doch dann trat er einen Schritt vor mir zurück.
„Gute Nacht, Talita.“ Er drehte sich um, und verschwand langsam den Korridor hinunter.
Ich blieb stehen, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte, bis ich hörte, dass er in seinem Zimmer verschwunden war, dann ging ich in mein eigenes. Einfach unter die Decke zu schlüpfen und zu heulen, hörte sich in meinen Ohren einen Moment lang sehr verlockend an, aber ich zwang meine Schritte ins Bad. Ich ging Duschen, putzte mir die Zähne, kämmte meine
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