Jenseits des Spiegels
einen kleinen Hoffnungsschimmer in meinen Augen gesehen haben, denn er schüttelte den Kopf.
Meine Schultern sackten herab.
Wortlos ging ich zu dem Lager aus Decken und Kissen, und kuschelte mich darin ein. Veith hatte Recht, diese Nacht war es besser nicht alleine zu sein. Wenn ich gestern nicht so gekrängt gewesen wäre, und meinen Weg her gefunden hätte, anstatt mutterseelenallein in meinem Kummer zu schwelgen, vielleicht hätte ich früher bemerkt, dass Pal verschwunden war. Vielleicht hätten wir dann eine Spur gefunden. Doch jetzt war es zu spät, und Selbstvorwürfe halfen auch nicht – auch wenn sie gerechtfertigt waren.
Tyge setzte sich hinter mir, und strich mir gleichmäßig in beruhigenden Kreisen über den Rücken. „Wir werden ihn finden.“
Das hoffte ich, auch wenn ich nicht daran glaubte. Das hoffte ich wirklich.
Irgendwann fiel ich in einen unruhigen Schlaf aus dem ich mitten in der Nacht aus unerfindlichen Gründen hellwach erwachte. Ich lag zwischen Tyge und Veith, die beide schützend ihre Arme um mich gelegt hatten. Sie schliefen tief und fest. Alles war ruhig, also warum war ich aufgewacht? Ich wartete einen Moment, doch als nichts passierte, schloss ich wieder die Augen. Nur ein Problem entstand dabei. Jetzt war ich wach, und jetzt musste ich dringend aufs Klo. Na ganz toll, das hatte mir echt noch gefehlt. Wenn ich mich nur einen Zentimeter bewegte, würden die beiden Kerle sofort im Bett stehen, und nach Feinden Ausschau halten.
Ich versuchte es auszuhalten.
Eine Minute.
Fünf Minuten.
Nach sieben gab ich es auf. Ein solches Bedürfnis sollte niemand unnötig aufschieben, das würde nur zu peinlichen Konsequenzen führen. Vorsichtig zog ich einen Arm zwischen mir und Veith heraus, und … er wurde sofort wach. „Ähm, ich müsste mal wohin, wenn du also so freundlich wärst mich loszulassen.“
„Wohin?“
Gott, manchmal war er wirklich schwer von Begriff. „Ich muss mal pinkeln“, sagte ich gerade heraus. Veith zuckte nicht mal mit der Wimper, so wie immer. Er rückte lediglich von mir ab, so dass ich frei kam. Natürlich wurde Tyge davon auch wach. Beide Männer folgten mir mit ihren Blicken, bis ich die Tür zwischen uns schloss.
Eilig erledigte ich, was es zu erledigen gab, und trank dann noch einen Schluck Wasser am Waschbecken. Denn Blick in den Spiegel darüber hätte ich mir besser gespart. Tiefe Augenringe hatten sich in mein Gesicht gegraben, und meine Haare waren nur noch ein grausiges Nest, in den jeder Vogel gerne seine Eier gelegt hätte. Außerdem wirkte ich müde. Nicht auf die Art, ich sollte dringen eine runde schlafen, sondern innerlich Müde. Erst die miserable Rudelversammlung, die im Grunde nichts weiter gebracht hatte, als ein wenig Geknurre und Zweifel, dann der Überfall im Wald, was eine Waise zur Folge hatte, und das Schlimmste von allen, Pals Verschwinden.
Wo er jetzt wohl war? Ob es ihm gut ging?
Natürlich geht es ihm nicht gut. Er wurde verschleppt, wenn nicht sogar
… ich verbot meiner inneren Stimme dieses Gedanken fortzuführen. Pal ging es gut. Ich musste ihn nur finden, dann würde alles wieder in Ordnung kommen.
Isla wurde auch nicht gefunden.
Verdammt, diese innere Stimme trieb mich noch in den Wahnsinn. Ich klatschte mir Wasser ins Gesicht, trocknete mich mit dem Handtuch ab, und sah zufällig aus dem Fenster, als ich es weghing. Draußen im Garten lief eine lange schmale Gestalt mit blondem Haar herum. Kaj. Eigentlich nichts außergewöhnliches, auch ich machte nachts hin und wieder gerne einen kleinen Spaziergang um Luft zu schnappen, oder auf andere Gedanken zu kommen, aber etwas daran wie sie sich bewegte, ließ mich aufmerken. Eigentlich lief sie weniger durch den Garten, als dass sie mehr schlich. Von einer Deckung in die nächste. Wo wollte sie um diese Zeit hin? Ganz alleine, mitten in der Nacht. Dieses Verhalten war schon sehr auffällig, besonders wenn ich daran dachte, dass sie auch letzte Nacht unterwegs gewesen sein musste. So wie sie an Lewis Zimmer aufgetaucht war, konnte sie kurz vorher einfach nicht im Bett gelegen haben.
Kurzentschlossen löschte ich das Licht, damit sie nicht auf mich aufmerksam wurde. Jetzt hatte ich die Wahl zwischen durchs-Haus-gehen-und-sie-aus-den-Augen-verlieren, oder den-direkten-Weg-durchs-Fenster-nehmen. Gut, eigentlich hatte ich noch eine dritte Möglichkeit, aber mich einfach hinlegen, weiterschlafen, und so tun als hätte ich nichts gesehen, kam mir gar nicht erst in den Sinn.
So
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