Jenseits des Spiegels
Wärme stand. Und natürlich hatte er noch keine weißen Haare. Mit der Kleidung aber kam er ganz nach dem lieben Vati.
Neben ihm saß eine Frau. Schlank, straßenköterblondes Haar, und gelbe Augen. Sie war nicht Schön im eigentlichen Sinne, dafür war ihr Gesicht zu lang. Ich hatte genug gelernt um zu wissen, wann ich einem Werwolf in die Augen sah. Aber was machte die Frau hier? Wenn ich es richtig verstanden hatte, war es unter der Würde eines Wolfs sich in die Dienste eines Magiers zu stellen, weil sie – wie hatten sie das noch mal ausgedrückt? – ein verflucht überhebliches Volk waren. Vielleicht hatte ich da was missverstanden, oder sie war nur eine Freundin, die auf besucht war.
Sie legte dem Sohn besitzergreifend eine Hand aufs Knie. O-kay, vielleicht war sie auch was ganz anderes, obwohl ich sie ein bisschen zu alt für den Typen fand. Aber jedem das seine.
Mit dem Blick folgte ich ihrer Hand, und dann wieder zurück zu ihrem Gesicht, doch im Gegensatz zu den Magiern hatte sie kein Interesse an mir. Ihr vor Hass lodernder Blick ruhte auf Fang. Meine Neugierde war geweckt, aber ich fand es unpassend zu fragen, warum alle in diesem Haushalt scheinbar einen Hass auf meinen Retter/Gefängniswärter hatten.
„Welch eine interessante Geschichte. Und was nun erwartest du von mir?“, fragte Anwar irgendwann. Hätte er noch gegähnt, wäre nicht deutlicher geworden, dass ihm das ganze völlig am Arsch vorbei ging.
„Prisca ist der Meinung, dass sie bei euch besser aufgehoben sei“, erklärte Fang. „Unsere Möglichkeiten ihr zu helfen sind begrenzt. Hier hat sie eine größere Chance zu erfahren, was mit ihr los ist.“
Anwar lehnte sich an die Couch, eine Augenbraue herausfordernd hochgezogen. Okay, so einen Blick würde ich Fang erst dann zuwerfen, wenn ich mein Testament gemacht hatte, und mit dem Leben abschloss. „Und warum kommst du damit zu mir? Das ist Aufgabe der Wächter.“
„Prisca sagte mir, dass du das sagen würdest.“
Die Überheblichkeit rutschte ein wenig aus Anwars Gesicht. „Ach ja? Was hat sie denn noch gesagt?“
„Das ich dich an deine Schuld erinnern sollte.“
Nun fiel das kalte Lächeln gänzlich in sich zusammen. Nachdenklich starrte er vor sich hin, dann sagte er: „Ich glaube, das sollten wir besser unter vier Augen Besprechen. Erion, kümmere dich bitte um unsere Gäste.“ Damit stolzierte er an uns vorbei, aus dem Saal hinaus, und achtete nicht weiter darauf, ob Fang ihm folgte. Veith wurde in seinem Kielsog mitgenommen. Unser gehufter Führer war irgendwann verschwunden, und so waren Pal, Domina, und ich jetzt mit dem Sohn – Erion –, und der fremden Wölfin alleine, was irgendwie die Spannungen steigerte.
„So“, sagte Erion, den Blick neugierig auf mich gerichtet, „stimmt es dass du dich an nichts mehr erinnern kannst? Nicht mal an deinen Namen?“
„Nein, kann sie nicht“, antwortete Pal für mich.
„Okay, dieses Bevormunden hört auf der Stelle auf.“ Ich drückte ihm die Hand, um deutlich zu machen, dass ich nicht böse war, es aber ernst meinte. Dann wandte ich mich Erion zu. „Meinen Namen weiß ich inzwischen.“
„Dann kannst du dich also doch an etwas erinnern?“
„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf. „Er stand in meinem Ausweis. Ich habe ihn gelesen, nur deswegen weiß ich wie ich heiße.“
„Und wie heißt du?“
„Wen interessiert das?“, fuhr die blonde Wölfin an seiner Seite dazwischen. „Das Wolfsbaumrudel will seine Probleme nur auf euch abwälzen. Schick sie weg, sie alle, oder noch besser, knallt sie gleich ab. Ein paar Trophäen hätten im Speisezimmer noch Platz.“
Oh scheiße, wie war die denn drauf? Und hier wollten die mich lassen? Denen ging es wohl zu gut!
Domina legte den Kopf schräg. „Kaj, wie schön dass du dich beteiligen willst. Wurden dir schon die Krallen gezogen, oder bist du immer ein braves Haustier gewesen?“
„Ein Schoßhund“, flüsterte ich, und wurde mir erst klar darüber, dass mich alle bis auf Erion verstanden, als Kajs Kopf vor Wut hochrot wurde, Dominas Lächeln einen belustigten Ausdruck annahm, und Pal anfing zu lachen. Dieses verdammte Gehör von diesen verdammten Wölfen!
Die Blonde – Kaj? – sprang über die Couch, so schnell, dass ich erst verstand was geschehen war, als Pal mich hinter sich gezogen hatte, und Kaj warnend anknurrte. Kaj Blick wechselte zwischen Pal und mir. „Pass auf was du sagst, es wird nicht immer jemand da sein, der dich
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