Jenseits des Tores
Dienern der Halbvampirin verbrannt, nachdem sie ihren Zweck erfüllt hatten.
Bislang hatte Lilith nicht umfassend von Duncans Werdegang gewußt. Nun aber, da er selbst in ihr war, hatte sie auf sein Wissen und seine Erfahrungen Zugriff, als wären es ihre eigenen.
Doch dies war nicht mehr als ein Nebeneffekt der »Verschmelzung«. Und Lilith blieb auch kaum Gelegenheit, tiefer in dieses Wissen einzutauchen, um weitere Einzelheiten zu erfahren. Denn in allererster Linie teilte sie nicht Duncan Luthers bildliche Erinnerungen, sondern seinen Schmerz!
Lilith empfand das Leiden des einstigen Freundes mit einer Macht, die sie nur noch schreien ließ. Die seelische Pein und alle Qualen, die Duncan mit Beginn seines Todes hatte erleiden müssen, schienen groß genug, um die eines ganzen Volkes zu sein. Und doch hatte ein einzelner Mensch sie erdulden müssen - so wie Lilith sie jetzt in einem einzigen, nicht enden wollenden Augenblick erfuhr!
Und irgendwo inmitten dieses mörderischen Orkans fremden Leids vernahm sie etwas wie ein Lachen - dunkel und hämisch. Sie wußte, wer es ausstieß und aus welchem Grund er es tat.
Duncan Luther genoß es, Lilith heimzahlen zu können, was sie ihm angetan hatte. Sie hatte ihm dieses unmenschliche Schicksal aufgebürdet, und nun endlich konnte er es mit ihr teilen.
Ganz am Rande ihres flammenden Bewußtseins brachte Lilith sogar Verständnis für Duncans Reaktion auf. Was die Qualen, die er ihr mit der Wucht herabstürzender Tonnengewichte auferlegte, freilich um keinen Deut minderte.
Schließlich brach Lilith in die Knie und stürzte vornüber in den mehligen Staub, der sich auf ihre Lippen, ihre Zunge legte.
Nie hatte sie etwas Schlimmeres erleiden müssen als dies.
Lilith erfuhr, was aus Duncan geworden war, nachdem er am Anfang der Zeit verbrannt war. Wohin es seine Seele verschlagen hatte. Und was sie dort - hier! - durchlitt.
Duncan Luther hatte Schuld auf sich geladen, hatte im Dienste eines Wesens gestanden, das nicht nach dem Bilde des Herrn war. Für eine verdorbene Seele wie die seine konnte es keine Erlösung geben, nicht vor dem Jüngsten Tag.
Lilith erlebte wie am eigenen Leib, was es hieß, an einen Ort wie diesen gebannt zu sein. Es war mörderisch, und doch stand am Ende nicht der Tod als Ziel, denn es gab weder Ende noch Ziel. Nur Ewigkeit, angefüllt mit nie endendem Leiden .
Obwohl sie längst wie von Sinnen war, kroch ein Gedanke aus den Trümmern ihres Ichs empor. Lilith schrie auf wie irr, als ihr seine Bedeutung bewußt wurde.
Duncan Luther war nicht der einzige Mensch, dem sie den Tod gebracht hatte! Andere hatten sein Schicksal geteilt, auf die eine oder andere Weise. Was, wenn sie alle an diesen Ort hier verbannt worden waren? Wenn sie alle nur darauf warteten, daß Duncan von ihr abließ, damit sie ihren eigenen Rachedurst stillen konnten .?
Liliths Schrei brandete gegen die Schwärze, die das Firmament dieser Welt war. Denn auf einmal spürte sie die Präsenz all jener anderen ganz in der Nähe! Ihr Haß schlug Lilith entgegen und über ihr zusammen wie alles erstickende und niederschmetternde Sturmwogen.
Sie spürte, daß sich etwas näherte. Noch zögernd, aber unaufhaltsam. Etwas wie eine stinkende Aura wehte der fremden Seele voran. Andere kamen hinzu.
Das Warten war vorüber. Sie kamen.
Lilith stöhnte unter der bloßen Ahnung dessen, was ihr bevorstand.
Und dann fuhr die zweite Seelenkreatur in sie ein.
*
Monte Cargano
Salvat hinterließ nichts als Schweigen, als er von der steinernen Galerie trat. In der Felsenarena tief darunter hatte sich die Bruderschaft auf sein Geheiß versammelt, und er hatte ihnen erklärt, daß die Gefahr gebannt war. Er hatte es ihnen nicht allein mit Worten bedeutet, und so war Salvats Gang müde und sein Teint von ungesunder Färbung, als er sich abwandte und ging.
Doch durfte er sich weder Schwäche noch Ruhe zur Regenerierung seiner Kräfte gönnen. Noch nicht. Denn noch standen wichtige Dinge an, deren Erledigung nicht aufzuschieben war .
»Du siehst aus, als wärst du ein Bruder des Todes.«
Die Stimme erreichte Salvat aus einer Nische im Fels, und er kannte sie seit so langer Zeit, daß er sie blind unter Tausenden erkannt hätte.
»Mag sein, Adrien«, erwiderte er, »aber große Dinge verzehren nun einmal große Kraft. Und sie sind noch nicht alle ausgeräumt.«
Der Lehrmeister des Ordens, ein alter Mann von eher kleinem Wuchs und unscheinbarem Aussehen, trat zu ihm.
»Du hast die Brüder
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