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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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verbüßte er die Strafe, die seinem Vater seinerzeit auferlegt worden war. Er hatte sich verpflichtet, mindestens zehn Jahre als Soldat für die Valanen zu kämpfen. Kjoren nahm sich vor, seinem Vater Svorolf einen Brief zu schreiben, wenn er die nächste Siedlung mit einer Poststelle erreichte. Er musste so schnell wie möglich sein Heimatdorf verlassen.
    Der laue Morgenwind erwärmte seine müden Glieder, aber er machte sich nichts vor, die ersten Vorboten des Herbstes waren allgegenwärtig. Nicht nur stürmisches Regenwetter, sondern auch die fallenden Temperaturen machten die Reise vor allem in den Nächten zu einer Zerreißprobe. Der feuchte Boden dampfte in der Morgensonne. Trotz der Wärme schlug Kjoren den Kragen seines Hemds nach oben. Besser, wenn ihn niemand sofort als Firune identifizierte. Das Halsband aus Bluteisen, das magiekundige Valanen mit einem Zauber getränkt hatten, und das seine Firunenmagie unterdrückte, kennzeichnete ihn unmissverständlich als einen der »unterworfenen Wilden« . So bezeichneten die Valanen diejenigen seiner Art, denen man die Zivilisation vor vielen Jahren aufgezwungen hatte. Kjoren war schon in eine solche Gesellschaft hineingeboren worden, er kannte es nicht anders. Sein Vater jedoch schämte sich bis heute dafür, ein Halsband tragen zu müssen. Immer schon hatte er sich dagegen gewehrt. Doch das hätte er lieber bleiben lassen, denn seine Verstöße gegen das Valanengesetz hatten Kjoren überhaupt erst in diese missliche Situation gebracht.
    Je weiter er auf der Straße nach Süden vorankam, desto reger wuselte der Verkehr. Karren, Reiter, Kutschen, Eselskarawanen oder Familien, die zu Fuß gingen, tummelten sich auf dem festgetretenen Schotterweg, der Valana mit Budford verband. Auch die Besiedlung nahm zu. Einfache, ohne Liebe zum Detail gezimmerte Holzhütten, Baumwollfelder und Schafweiden säumten die Straße nun zu beiden Seiten. Kjoren zählte ebenso viele Valanen wie Firunen. Die Gegend um Budford sowie die Stadt selbst war bekannt dafür, dass beide Rassen hier Seite an Seite lebten. Aber nicht nur dieser Umstand trieb Kjoren hierher, sondern auch das Wissen um eine Anlegestelle für Luftschiffe. Eines der drei Schiffe verkehrte regelmäßig zwischen Budford und Derris, seiner Heimatstadt. Kjoren hegte den Wunsch, genügend Geld anzusparen, um sich eine Überfahrt kaufen zu können. Für einen langen Zeitraum war er nicht mehr in Ona, dem südlichsten Kontinent von Yel, gewesen. Er vermisste die dichten Urwälder und die mannigfaltigen Gerüche seiner Heimat. Der Kontinent war erst vor knapp dreißig Jahren von den Valanen erschlossen worden und zählte somit zu einer ihrer jüngeren Eroberungen. Vermutlich sah es dort mittlerweile auch nicht mehr so aus, wie Kjoren es in Erinnerung behalten hatte. Er seufzte. Es war eine Schande, dass die Valanen jedes wilde Stück Land unterwarfen und zerstörten. Die Kontinente Ean und Eld waren die letzten Refugien für Firunen, die noch ihrer Traditionen frönen wollten . Doch s elbst dort drang man immer weiter in ihre Dörfer ein, wie Kjoren erst kürzlich auf seiner letzten Mission als Soldat hatte feststellen müssen.
    Als die Sonne bereits hoch am Himmel stand, erreichte Kjoren die ersten Ausläufer von Budford, eine kleine Siedlung, bestehend aus einer ungeordneten Ansammlung von Hütten und wenigen Backsteinhäusern.
    Handkarren, Pferde und Fußgänger verkehrten in den engen Gassen. Es gab einen Brunnen, um den reges Getriebe herrschte, doch anscheinend kein Abwassersystem. Dementsprechend abstoßend stank es. Kinder mit dreckverkrusteten Gesichtern, die zwischen freilaufenden Hühnern spielten, schienen gegen den Geruch immun zu sein. Kjoren rümpfte die Nase. Je weiter er der Hauptstraße, die sich mitten durch die Siedlung schlängelte, folgte, desto ordentlicher und aufgeräumter wirkten Häuser und Gassen. In diesem Viertel wohnten ausschließlich Valanen, denn Firunen gelangten nur selten an die finanziellen Mittel, um sich massive Steinhäuser mit gepflegten Gärten leisten zu können. Auch wenn sich Kjoren unwohl fühlte, glaubte er doch, hier eher an eine Arbeit zu gelangen als im Armenviertel. Und er brauchte dringend Geld, nicht nur für die Überfahrt nach Derris, sondern auch zum Überleben, denn sein Geldbeutel litt an chronischer Unterfüllung.
    Kjoren schluckte seine Bedenken hinunter. Bis auf die Jacke fiel die recht unauffällige Armeekleidung kaum auf, wenn man sich nicht auskannte. Also

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