Jenseits des Windes
für eigene Pferde hatten. Kjoren nahm einen großen Schluck Kaffee. Wie herrlich er schmeckte!
Hork lächelte schüchtern. »Normalerweise besitzen wir zwei Pferde, aber die Nichten von Mr. Bonette sind mit den Tieren auf einem mehrtägigen Reitausflug. Ausgerechnet jetzt rufen meinen Herrn die Geschäfte. Er braucht ein Pferd, um seine Kunden zu besuchen.« Hork sah Kjoren mit einem erwartungsvollen Blick an, als erwartete er, dass Kjoren nachhakte. Doch Kjoren interessierte sich nicht für die Geschäfte von Mr. Bonette. Er nickte nur und nahm einen weiteren Schluck aus der Tasse. In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Salon und ein schwarzhaariger Bengel von vielleicht vierzehn Jahren erschien auf der Türschwelle. In der Hand hielt er einen Umschlag.
»Hier ist das Geld. Drei Goldene und acht Silberne.«
Hork sprang vom Stuhl auf und nahm dem Jungen hastig den Umschlag weg. »Danke, dass du das Geld geholt hast.« Er senkte die Stimme, aber Kjoren verstand dennoch jedes Wort, das er zu dem Jungen sprach. »Bitte, erzähl doch nicht so laut herum, wie viel Geld du mit dir herumschleppst.«
Kjoren lächelte. Glaubte Hork, Kjoren hätte vielleicht Interesse daran, ihn zu bestehlen? Sein Geld scherte ihn nicht die Bohne.
Der Junge verschwand und Kjoren vernahm das Geräusch von sich entfernenden Schritten, gefolgt von einer Tür, die ins Schloss fiel. Hork setzte sich zurück an den Tisch. Er suchte fünf Silberne und gab sie Kjoren. »Entschuldigen Sie das Benehmen von Tane, er hat sich nicht einmal vorgestellt oder Sie begrüßt. In diesem Alter sind sie so schwierig«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Ich bin aber froh, dass er wenigstens unversehrt hier angekommen ist. Unglaublich, wie unruhig es in der Stadt geworden ist.«
Kjoren versenkte die Münzen in der Hosentasche. »Das habe ich auch gemerkt.« Er nahm den letzten Schluck Kaffee und schob den Stuhl geräuschvoll zurück. »Und genau deshalb mache ich mich jetzt besser auf den Rückweg. Ich sollte nicht noch einmal den Osten von Budford durchqueren. Da mache ich lieber einen Umweg. Und weil es neuerdings so etwas Sinnvolles wie eine Ausgangssperre während der Mittagszeit gibt, muss ich mich sputen.« Bitterkeit und Sarkasmus sprachen aus ihm, ohne das er es beabsichtigt hatte.
»Das kann ich Ihnen nicht verdenken. Fürchterlich diese Zustände! König Jaham schickt ständig mehr Soldaten in die Stadt, aber dadurch wird es nur noch schlimmer. Die Gemüter sind so erhitzt! Die ersten Firunen beginnen, sich gegen die neuen Auflagen zu wehren.« Die Wangen von Hork liefen rosa an, als ihm wohl auffiel, dass er mit einem Firunen sprach. Hastig wechselte er das Thema: »Nun, Leroy, im Namen von Mr. Bonette bedanke ich mich für das Geschäft. Kommen Sie gut nach Hause.«
Kjoren nickte nur. Hork begleitete ihn bis zum Gehsteig. Er drehte sich nicht um, sondern machte sich unverzüglich auf den Rückweg.
Als er den Mietstall erreichte, war es bereits weit nach Mittag. Kjoren hatte den ganzen Rückweg lang gegrübelt. Und nachdem er zu allem Überfluss in eine Straßenkontrolle geraten war, weil er sich trotz Ausgangssperre in der Mittagszeit draußen aufgehalten hatte, fasste er einen Entschluss: Er wollte keinen Tag länger in der Stadt bleiben. Die valanischen Soldaten, die seine Identität festgestellt und den korrekten Sitz seines Halsbandes überprüft hatten, hatten ihn zwar nicht erkannt und weiterziehen lassen, doch Kjoren wusste, dass er nicht mehr sicher war. Und was noch viel schlimmer war, auch sein Vater war nicht mehr sicher. Er musste sich so schnell wie möglich eine Überfahrt nach Ona kaufen, bevor der neue König auch noch auf die Idee kam, ein Gesetz zu erlassen, das Firunen verbot, mit dem Luftschiff zu verkehren. Gewundert hätte es ihn jedenfalls nicht. Kelly schuldete ihm noch ein halbes Monatsgehalt. Zusammen mit dem Geld, das er gespart hatte, dürfte es für eine Überfahrt reichen. Er hatte zwar vorgehabt, wenigstens eine kleine Reserve für sich zu behalten, aber er würde sich auch ohne Essensgeld bis nach Derris durchschlagen.
Das Büro des Mietstalls lag verwaist in der milchigen Sonne. Ein Zettel an der Tür wies etwaige Kunden darauf hin, dass am Nachmittag wieder jemand zu sprechen sei. In den Mittagsstunden schloss Kelly gelegentlich die Eingangstür ab, um sich eine kurze Pause zu gönnen.
Kjoren betrat die Stallungen. Einige der Pferde reckten ihm neugierig die Köpfe entgegen. Er hatte die Tiere
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