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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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irgendeine grausame Art und Weise.« Er atmete tief ein, als hätte ihn die Bedeutung seiner Worte zutiefst erschüttert. »Es ist ein Geschenk der Luftgötter, dass sie dich für meinen Stiefsohn Leroy halten«, flüsterte er dünn, seine Stimme brach.
    »Weshalb? Erwartet mich dadurch ein gnädigerer Tod als der eines in Ungnade gefallenen firunischen Soldaten?«
    »Nein, dich wird überhaupt kein Tod erwarten, wenn mein Plan funktioniert.«
    Er sah Bjart verwirrt an. Hoffentlich erwachten die Soldaten nicht.
    Der alte Mann griff sich an das Halsband aus Bluteisen. »Sie haben es verschlossen, ich kann es nicht abnehmen. Aber dir haben sie keines angelegt. Du wirst leben.«
    »Was meinst du?«, empörte sich Kjoren. Er hatte alle Mühe, leise zu sprechen.
    »Ich werde dir morgen zur Freiheit verhelfen. Nutze die Chance, bitte. Du musst Leroy suchen. Sag ihm, dass ich ihn liebe und dass es mir leidtut. Gemeinsam könnt ihr es schaffen. Wenn ihr Leroy nicht auf den Thron helfen könnt, so sorgt zumindest dafür, die Magie der Firunen zu bewahren.«
    Einer der Soldaten grunzte. Seine Kleidung raschelte, als er sich aufrichtete. Ausgerechnet Wayne, der Geier.
    »Ihr da hinten! Schnauze halten«, brüllte er. Seine Stimme donnerte durch die Stille der Nacht und weckte die anderen Soldaten, die sich lauthals über die Ruhestörung beschwerten. Wayne kam zu ihnen herüber. Er trat Bjart mit der Stiefelspitze heftig in den Rücken, doch der Firune gab keinen Laut von sich.
    Das Geiergesicht setzte sich neben ihn und verbrannte sie mit bösen Blicken.
    »Warte morgen auf mein Zeichen«, flüsterte Bjart Kjoren ins Ohr, bevor Wayne ihn an der Schulter packte und von ihm wegzerrte.
    Kjorens Herz hämmerte wild in seiner Brust. Er schluckte hart. In dieser Nacht fand er keinen Schlaf.
    Ein Tritt in den Bauch weckte ihn.
    Kjoren schreckte hoch. Er glaubte, nicht geschlafen zu haben, aber alle Valanen, die am Vorabend zur Jagd aufgebrochen waren, befanden sich im Lager, ohne dass er es bemerkt hatte. Es roch verlockend nach gebratenem Kaninchen. Kjorens Magen krampfte sich zusammen. Von dem köstlichen Duft wurde ihm schwindlig.
    »Aufstehen«, fuhr Nathan das Wiesel ihn an und trat abermals nach ihm. Kjoren krümmte sich unter Schmerzen, ließ aber keinen Laut frei. Seine Glieder waren steif, seine Hände, ach, sein ganzer Körper war eiskalt. Er sah sich um, Bjart saß bereits wach im Schneidersitz neben ihm und starrte auf seine Fußfessel. Sein Gesicht zeigte vollkommene Ausdruckslosigkeit. Nathan zerrte sie an den Armen auf die Beine. In Windeseile löschten sie das Feuer, verstauten das durchgegarte Fleisch in den Taschen und luden sie auf den Eselskarren. Alle schienen es eilig zu haben. Ben, der Reiter, verabschiedete sich von der Gruppe. Er wollte vorausreiten und dem König schnellstmöglich von den Neuigkeiten berichten.
    Kjorens Herz klopfte bis zum Hals. Ben würde in weniger als einem Tag in Valana sein, und wenn Jaham von dem Tagebuch erfuhr, hätten Leroy und Elane nicht den Hauch einer Chance, vor ihm das Kloster auf West-Fenn zu erreichen ... Er ermahnte sich zur Ruhe, er hatte nun wahrlich andere Probleme.
    Wenig später machte sich der Rest des Trupps auf den Weg, ein schwacher grauer Schleier im Osten kündete den Morgen an.
    Trotz des Marsches kroch bittere Kälte durch seinen Körper. Dichter Nebel verhüllte kniehoch den Boden unter den Füßen, sodass sie kaum erkennen konnten, wohin sie traten. Mehr als einmal fluchte einer der Soldaten, weil er in einen Kaninchenbau trat. Jemand schlug vor, zurück zur Straße zu gehen, doch Nathan fuhr ihn barsch an, sie würden die Straße bei diesem Nebel ohnehin nicht wiederfinden. Es mache mehr Sinn, sich nach dem Sonnenstand zu richten. Niemand widersprach ihm.
    Die Zeit schleppte sich dahin wie sie. Es vergingen nur Augenblicke, doch Kjoren kamen sie vor wie eine Ewigkeit nach der anderen. Immer öfter spannte sich das Seil zwischen seinem und Bjarts Fußgelenk, denn Bjart ging langsam, stolperte oft und fiel zurück. Bjart tat ihm sehr leid, doch er konnte ihm nicht helfen. Er dachte über seine Worte vom Vorabend nach. Was hatte er gemeint, als er sagte, er wolle ihm ein Zeichen geben? Er wusste beim besten Willen nicht, wie Bjart sich eine Flucht für ihn vorstellte? Es war absurd, unmöglich.
    Das Seil spannte sich abermals, doch diesmal war der Zug von Dauer. Kjoren blieb stehen und wandte sich um. Bjart fiel auf die Knie und ließ den Kopf schlaff auf die

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