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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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Haus gewöhnlich mit Wein versorgte, hatte mir vor einiger Zeit einen sehr seltenen Burgunder geschickt, und ich ließ Juma eine Flasche davon aufkorken. Als wir bei Tisch saßen und Emmanuelsons Glas gefüllt war, trank er es halb leer, hielt es gegen das Licht und blickte lange hindurch, wie ein Mensch, der aufmerksam einem Musikstück lauscht.
    »Groß«, sagte er, »ganz groß. Das ist ein 1906er Chambertin.« So war es, und das flößte mir Achtung für Emmanuelson ein.
    Sonst sprach er anfangs nicht viel, und ich wußte nicht, worüber ich mit ihm sprechen sollte. Ich fragte ihn, wie es komme, daß es ihm so gar nicht gelungen sei, Arbeit zu finden. Er erwiderte, das komme daher, weil er nichts von all den Dingen verstehe, mit denen die Leute sich hier beschäftigen. Im Hotel sei er entlassen worden, und übrigens sei er auch nicht maître d’hôtel von Beruf.
    »Verstehen Sie etwas von Buchführung?« fragte ich ihn.
    »Nein, nicht das geringste«, sagte er, »ich habe es immer sehr schwierig gefunden, zwei Zahlen zusammenzuzählen.«
    »Verstehen Sie etwas von Vieh?« fuhr ich fort.
    »Von Kühen?« fragte er. »O nein. Ich habe Angst vor Kühen.«
    »Können Sie vielleicht einen Traktor fahren?« fragte ich. Ein Schimmer von Hoffnung erhellte sein Gesicht.
    »Nein«, sagte er, »aber das könnte ich, glaub ich, lernen.«
    »Aber nicht auf meinem Traktor«, sagte ich. »Doch sagen Sie mir, Emmanuelson, was haben Sie denn in Ihrem Leben getrieben? Was sind Sie?« Emmanuelson richtete sich empor.
    »Was ich bin?« rief er aus. »Oh, ich bin Schauspieler.«
    Gott sei Dank, dachte ich, es liegt also absolut nicht in meiner Macht, diesem verwahrlosten Mann auf irgendeine praktische Art zu helfen, jetzt ist es Zeit für ein menschliches Gespräch.
    »Schauspieler sind Sie?« sagte ich. »Das ist ein schöner Beruf. Und welches waren Ihre Lieblingsrollen, als Sie auf der Bühne waren?«
    »Oh, ich bin ein tragischer Schauspieler«, sagte Emmanuelson, »meine Lieblingsrollen waren der Armand in der ›Kameliendame‹ und der Oswald in den ›Gespenstern‹.«
    Wir sprachen eine Weile von diesen Stücken und von den verschiedenen Schauspielern, die wir in ihnen gesehen hatten, und wie sie nach unserer Ansicht gespielt werden müßten. Emmanuelson sah sich im Zimmer um.
    »Sie haben nicht zufällig«, fragte er, »Ibsens Dramen hier? Dann könnten wir die letzte Szene aus den ›Gespenstern‹ zusammen spielen, wenn es Ihnen nichts ausmachen würde, die Frau Alving zu übernehmen?«
    Ich besaß Ibsens Dramen nicht.
    »Aber vielleicht kennen Sie es auswendig?« sagte Emmanuelson, der sich für den Plan erwärmte. »Ich habe den Oswald von Anfang bis zum Ende im Kopf. – Diese letzte Szene ist die beste. Das ist wahrhaftig tragisch, wissen Sie, das ist nicht zu überbieten.«
    Die Sterne funkelten draußen, die Nacht war schön und warm, es war kurz vor Beginn der großen Regenzeit. Ich fragte Emmanuelson, ob er wirklich zu Fuß nach Tanganjika gehen wolle.
    »Ja«, sagte er, »ich gehe, ich gebe mir jetzt selbst mein Stichwort.«
    »Es ist ein Glück für Sie«, sagte ich, »daß Sie nicht verheiratet sind.«
    »Freilich«, sagte er, »freilich.« Nach einer Pause fügte er zaghaft hinzu: »Ich bin übrigens verheiratet.«
    Im Verlaufe des Gespräches klagte Emmanuelson darüber, daß ein Weißer hier draußen gegen die Konkurrenz der Eingeborenen sich nicht halten könne, da sie so viel billiger arbeiteten.
    »In Paris zum Beispiel«, sagte er, »da habe ich immer für kurze Zeit Arbeit als Kellner in dem oder jenem Café gefunden.«
    »Warum sind Sie nicht in Paris geblieben, Emmanuelson?« fragte ich ihn. Er warf mir einen raschen funkelnden Blick zu.
    »Paris«, sagte er, »o nein, unmöglich. Ich bin grad noch im letzten Augenblick von Paris weggekommen.«
    Emmanuelson besaß einen Freund in der Welt, den er im Lauf des Abends mehrmals nannte. Wenn er den erreichen konnte, war alles anders, der hatte Glück und war ein großmütiger Mensch. Er war Revolutionär und reiste überall in der Welt herum. Als Emmanuelson zuletzt von ihm gehört hatte, war er in San Francisco gewesen.
    Von Zeit zu Zeit sprachen wir von Literatur und vom Theater und kamen dann immer wieder auf Emmanuelsons Zukunft zurück. Er erzählte mir, seine Landsleute hier in Afrika hätten ihn einer nach dem anderen an die Luft gesetzt.
    »Sie sind in einer schlimmen Lage, Emmanuelson«, sagte ich, »ich kenne eigentlich kaum einen zweiten

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