Jenseits von Feuerland: Roman
trank noch einen Schluck Rum und schloss die Augen, weil er das Licht nicht ertrug. Die Hure kicherte, flößte ihm den Rum nun nicht mehr gemächlich ein, sondern schüttete ihm das Glas einfach ins Gesicht.
»Was zum Teu…«
Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Seine Lider waren so schwer, unmöglich konnte er sie öffnen! Die Hure begann, an seinem Hemd zu zerren, seine Brust zu zerkratzen; er fühlte wie tief ihre Nägel gingen, jedoch keinen Schmerz. Warum nicht? Etwas war nicht in Ordnung, ganz und gar nicht in Ordnung …
»Jeróni…«
Er konnte den Namen nicht aussprechen – denn schon umfing ihn Schwärze, als hätte man ihn in einen dunklen Kerker gesperrt.
Als er die Augen wieder aufschlug, hatte er keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte, ob nur wenige Augenblicke oder gar Stunden. Das Licht erschien ihm matter. Vielleicht vertrug er es aber einfach nur besser. Als er sich aufrichtete, fuhr ihm ein spitzer Schmerz durch den Kopf. »Aaaah …«
Er konnte wieder sprechen – und brachte im nächsten Augenblick doch keinen Ton mehr hervor. Nicht die Kopfschmerzen waren es, die ihn panisch stimmten. Vielmehr, dass er sich nicht rühren konnte – nicht, weil er betrunken war, sondern weil man ihn festgebunden hatte, an den Händen ebenso wie an den Beinen. Letztere waren weit gespreizt.
»Was, zum Teufel!«, knurrte er. Er bäumte sich auf, riss an den Fesseln, erreichte jedoch nur, dass sich das Hanfseil in seine Haut schnitt. Unerträglich war dieser Schmerz – und schien sich sogar noch zu verstärken, als er die Stimme hörte.
»Er kommt zu sich!«
»Na endlich!«
»Drei Schluck Rum und er ist hinüber, was für eine Memme!«
Er konnte sich immer noch nicht aufrichten, aber immerhin den Kopf etwas wenden; er blickte direkt in Jerónimos Gesicht, alabastern und schön wie immer – mit panischem Ausdruck. Stets hatte Esteban ihn selbstbeherrscht erlebt, nun schlotterte er vor Angst.
»Nun, wie fühlt ihr euch?«
Diese Stimme klang anders als die von Titia und Seraphina, und vor allem ihr Dialekt kam Esteban bekannt vor. Er drehte seinen Kopf mühsam auf die andere Seite, und dann sah er sie – die blonde Russin, deren Namen er nicht kannte, aber mit der er einmal zusammengeraten war, weil er sie nicht bezahlen wollte. Damals war ihr das Mannweib zu Hilfe gekommen, und wenn er sich recht erinnerte, hatte er sie seitdem manchmal in der Casa Emilia gesehen. »Nun«, fragte sie grinsend, »erkennst du mich?«
Seine Kehle wurde trocken, als er das Messer sah, das sie in Händen hielt.
»Was hast du vor?«, flüsterte er.
Die Russin zuckte angelegentlich die Schultern. Ganz langsam hob sie ihre Finger, fuhr erst über den Knauf, dann über die Klinge des Messers, sehr vorsichtig, um sich nicht zu verletzen. Er zweifelte nicht daran, dass es scharf war, sehr scharf.
»Ich halte nicht viel von Männern, die unschuldige Mädchen schänden«, begann sie gedehnt. »Die Welt wäre eine bessere, nähme man ihnen das Vermögen, es noch einmal zu tun.«
Grinsend trat sie an ihn heran und beugte sich über ihn. Er fühlte, wie sie an seiner Hose nestelte, sie öffnete, sein bloßes Fleisch kratzte. Als die Klinge über ihm aufblitzte, spürte Esteban, wie es zwischen seinen Beinen nass wurde. Er hatte vor Schreck seine Blase geleert.
»Neeeiiiiin!«, kreischte er entsetzt, als die blonde Russin mit dem Messer ganz langsam den Oberschenkel entlangfuhr, höher, immer höher, bis die Klingel sein gekräuseltes Schamhaar erreichte. »Neeeiiiiin!«
Wenig später wurde Esteban auf die Straße geworfen. Er glaubte, dass alle Knochen brachen, als er auf dem harten Boden aufprallte, doch er hatte keine Kraft, schützend die Hände auszustrecken. Eben war ein Pferdekarren vorbeigekommen, und er war direkt neben einem dampfenden Haufen Pferdeäpfel zu liegen gekommen. Doch Gestank und Hitze, die diesem entströmten, waren nicht schlimm.
Nicht so schlimm wie das, was er in den letzten Stunden durchgemacht hatte. Stöhnend rollte er sich zur Seite und sah, dass Jerónimo neben ihm lag. Als der sich aufrappelte, griff er mitten in den Pferdemist, doch das übliche Fluchen blieb aus. Selbst Jerónimo, der so großen Wert auf saubere Kleidung legte und den Dreck und Gestank der Straßen hasste, war einzig froh, der Hölle entkommen zu sein.
Während Jerónimo längst wieder aufrecht stand, blieb Esteban liegen. Die Erinnerungen lähmten ihn – Erinnerungen, die wie Blitze in seinen Kopf
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