Jenseits von Feuerland: Roman
einschlugen und mit grellem Licht entblößten, wie er da wehrlos vor den Frauen gelegen hatte, wie sie ihm die Hosen vom Leib gezerrt hatten, wie das Messer langsam die Oberschenkel hinaufgefahren war, schließlich sein Geschlecht umspielt hatte.
Er glaubte, die Frauen jetzt noch kichern zu hören.
»Da wird der stolze Esteban ganz klein«, hatte Titia gespottet.
»Selbst wenn du es wolltest«, hatte die Russin gehöhnt, »nun könntest du über keine wehrlose, unschuldige Frau herfallen. Oder wie wolltest du das anstellen – mit diesem armseligen, schrumpeligen Gemächt?«
Das Messer hatte seine Haut aufgeritzt, und er hatte gebrüllt wie am Spieß. Wenn er sich nicht schon längst in die Hosen gemacht hätte, so hätte er spätestens jetzt die Kontrolle über seine Blase verloren.
Doch dann war die Hand, die das Messer führte, zurückgezuckt, ohne tiefer zu schneiden. Die Erleichterung darüber ließ ihn selbst jetzt noch beben.
Breitbeinig hatte sich die blonde Russin über ihn gestellt. »Dass ihr heil bleibt, habt ihr nicht mir zu verdanken, sondern Emilia«, hatte sie erklärt. »Sie war der Meinung, dass der Schrecken genügen würde.«
Besagter Schreck hatte ihn völlig gelähmt. Als sie ihn losbanden, konnte er gar nicht um sich schlagen. Und selbst jetzt, da er sich endlich langsam erhob, fühlte er sich wie betäubt. Ihm war so übel, dass er glaubte, sich gleich übergeben zu müssen, doch als er zu würgen begann, brodelte vor allem Wut in ihm hoch. Sein Blick ging zu Jerónimo, der in diesem Moment auf die Russin zustürzte. Sie hatte es tatsächlich gewagt, einfach auf der Straße stehen zu bleiben, so breitbeinig wie vorhin, die Arme vor der Brust verschränkt.
»Ich bring dich um, du Hure!«, brüllte Jerónimo, wie Esteban ihn noch nie hatte brüllen hören. »Ich bring dich um, verdammtes Weib!«
Esteban beobachtete ihn erst wie erstarrt, dann ballte auch er die Hände zu Fäusten. Doch ehe er Jerónimo zu Hilfe eilen konnte, ehe der die Russin packen und auf sie einschlagen konnte, standen plötzlich zwei Männer vor ihnen, groß und breit. Einer hob die Hand und boxte so stark in Jerónimos Bauch, dass der taumelte.
»Fass sie nicht an!«, verkündete der Fremde kalt.
Esteban sah, wie Jerónimos Gesicht hochrot anlief und nicht nur blanke Wut seine Züge verzerrte, sondern auch Hilflosigkeit. Woher, zum Teufel, kamen nur diese Männer, die die russische Hure beschützten?
Estebans Gedanken waren so gelähmt wie seine Beine, doch dann sah er, wie die kleine, bucklige Ernesta Villan hinter Ana die Straße betrat.
Diese parfümierte Kröte!, schimpfte er innerlich.
Jeder kannte sie, jeder hatte zumindest von ihr gehört, aber man sah sie so gut wie nie auf offener Straße. Meist verkroch sie sich in ihrer Wohnung über dem Bordell, die gerüchteweise mit allen Kostbarkeiten dieser Welt zugestellt war. Nun nickte sie den beiden Hünen zu, die weiterhin schützend neben Ana standen.
Anklagend deutete Jerónimo auf die Russin: »Deine Huren sollen doch Geld für dich verdienen, oder? Weißt du, was sie stattdessen treiben?«
Ernesta Villans stechend blaue Augen – die Esteban nun weniger an eine Kröte erinnerten als an ein Insekt – richteten sich zuerst auf Jerónimo, dann auf ihn. Eben noch hatte es ihn nicht gestört, war ihm vielmehr als Zeichen erschienen, dass sie das Schlimmste überstanden hatten – nun hingegen war es ihm unerträglich, dass Pferdemist auf ihm klebte.
»Meine Huren lassen sich nicht alles gefallen, und das ist gut so«, begann Ernesta kalt. »Ihr gehört zu den Bastarden, die meist nicht zahlen wollen. Was immer sie mit euch angestellt haben – die Falschen wird es nicht getroffen haben.«
Nahezu hoheitsvoll drehte sie sich um und trippelte auf ihren kleinen Füßen wieder hinein. Die beiden Männer blieben mit drohender Miene stehen. Esteban hörte nicht nur Ana kichern, sondern auch die beiden anderen: die rothaarige Sirene Seraphina und die verlogene Schlampe mit den grünen Augen, Titia.
Schließlich verstummte Anas Lachen. »Und nun haut ab!«, zischte sie. »Und glaubt nicht, dass ich euch ein zweites Mal heil davonkommen lasse.«
Jerónimo stand wie erstarrt, der Rotton seines Gesichts hatte sich noch verdunkelt, aber Esteban lief, lief einfach los und so weit wie möglich davon. Gewiss war das feige, später würde er sich dafür verachten, aber nun konnte er nicht anders, als zu laufen, laufen, laufen.
Die Luft ging ihm aus, die Kehle
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