Jenseits von Feuerland: Roman
hätte er sie viel früher in das Haus geschleift. Immerhin war er am Ende ganz und gar auf seine Rechnung gekommen, und vielleicht hatte Jerónimo doch nicht so unrecht, wenn er behauptete, dass man für den wahren Genuss warten können müsse.
Danach, so schien es Esteban, hatte Jerónimo wieder gewartet. Darauf nämlich, dass er ihm weitere Schandtaten vorschlug. Nun, eine Rothaut, über die sie herfielen, konnte er ihm kein zweites Mal bieten, stattdessen initiierte er kleinere Tricksereien beim Glücksspiel und Zechprellerei. Er selbst war vor allem froh über das Geld, das sie ergaunerten – Jerónimo über etwas anderes. Was genau das war, konnte Esteban allerdings nicht sagen, nur, dass es den Mann mit den graublauen Augen tief befriedigte, wenn er andere manipulieren, übers Ohr hauen, ausnützen und in die Enge treiben konnte.
»Jetzt stell dich nicht so an!«, rief Jerónimo ihm eben über die Schultern zu. »Man könnte meinen, du verträgst nicht mehr Gin als ein Kleinkind!«
Das wollte sich Esteban nicht zweimal sagen lassen. Er gab sich Mühe, ihm rasch zu folgen, ohne zu schwanken, und erkannte alsbald, was Jerónimo dazu bewogen hatte, seinen Schritt zu beschleunigen.
Zwei Frauen standen nicht weit von ihnen vor einer Spelunke beisammen, rochen nach Parfüm und nach Schweiß zugleich, trugen die Haare offen, und die Gesichter waren stark geschminkt. Wahrscheinlich krochen in diesen Haaren Läuse, und wahrscheinlich war die Haut unter der Schminke bleich und faltig. Aber nett anzusehen waren sie dennoch – mit diesen viel zu engen, kurzen Kleidern in leuchtendem Rot.
Die beiden hatten die Männer nicht kommen sehen, und als Jerónimo die eine unerwartet an sich riss, fuhr diese erschrocken zusammen. So abgenützt sie auch aussah – offenbar war sie noch nicht lange in dem Gewerbe tätig. Genau das aber zog Jerónimo magisch an. Er mochte es, wenn eine Frau Angst hatte.
Die andere schien diese Angst nicht zu kennen: »Nun, schöne Männer«, säuselte sie mit kokettem Augenaufschlag. »So ganz alleine unterwegs?«
Auch die Schreckhafte rang sich nun ein Lächeln ab, und Esteban konnte förmlich spüren, wie Jerónimo die Lust verging. Esteban hingegen fühlte, wie sich der Nebel um seinen Kopf etwas lichtete und Gier erwachte – die Gier, diese festen Brüste zu umfassen, sie zu drücken, sie zu quetschen.
»Wie heißt ihr denn?«, fragte er.
»Titia und Seraphina«, gab die eine zurück und lehnte sich angelegentlich an die Wand, so dass ihre Brüste prall vom Leib wegstanden. »Es ist etwas kalt heute, nicht wahr?«
Esteban grinste. »Ich wüsste, wie ich euch aufwärmen könnte«, meinte er.
Jerónimo runzelte die Stirn, doch noch ehe er einen Einwand hervorbringen konnte, verstand die Frau auch sein Interesse zu wecken: »Meine Gefährtin könnte die harte Hand eines Lehrers gut gebrauchen … Sie hat noch einiges zu lernen.«
Esteban sah, wie das Mädchen erbebte – und Jerónimos Blick wieder wacher wurde.
Wenig später hatten sie ein schwülstiges Etablissement betreten, in dem überall Kerzen loderten und dessen Boden hart von all dem Wachs war, das auf die Holzbalken getropft war. Obwohl das Licht weich war, schmerzte es in Estebans Augen. Er kniff sie zusammen und zögerte eine Weile, bis er sie wieder öffnete. Die Kecke presste indes ihren Leib an seinen, und prompt fühlte er, wie er hart wurde. Die Tapeten waren so rot wie das Bettlaken, auf dem er wenig später lag. Es war weich, jedoch auch klebrig. Besser, er überlegte nicht, wer sich hier schon gewälzt und seinen Samen vergossen hatte.
Die Hure hockte sich mit gespreizten Beinen auf ihn.
»Bist du nun Titia oder Seraphina?«, fragte er mit belegter Stimme.
Sie setzte ihm ein Glas an den Mund. Liegend fiel es ihm schwer zu schlucken, aber er versuchte es dennoch, und wenn auch etliche Tropfen danebengingen, brannte ihm alsbald Rum durch die Kehle.
»Das tut doch nichts zur Sache, oder?«, fragte sie kichernd.
Er hob den Kopf, suchte Jerónimos Blick. Auch der war mittlerweile in die Horizontale befördert worden und immer noch erstaunlich gut gelaunt. Kalter Glanz stand in seinen graublauen Augen, und Esteban glaubte zu wissen, warum es ihm hier gefiel: nicht nur, weil sich seine Hure so viel scheuer gab, sondern weil die Frauen sie zu liebkosen begonnen hatten, ohne mit ihnen die Bezahlung vereinbart zu haben. Gewiss hatte Jerónimo im Sinn, sie hinterher einfach ohne Geld stehen zu lassen.
Esteban
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