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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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und ihr Körper war zu schwerfällig, um oft hinunter in die Küche zu kommen – aber für gewöhnlich tauchte sie dort einmal auf, um etwas zu essen. Gewiss musste sie hungrig sein!
    Emilia häufte Bohnen, Eier und Reis auf einen Teller und trug ihn nach oben. Noch bevor sie das Zimmer betrat, war ihr, als würde sie von dort ein Geräusch vernehmen. Sie spitzte hoffnungsvoll die Ohren. Seit Wochen hatte Rita kaum ein Wort gesagt – würde sie nun endlich wieder zu reden beginnen?
    Doch als sie Tür öffnete, erkannte sie, dass Rita nicht gesprochen, sondern gestöhnt hatte. Ihre schmalen Hände umkrampften das Bettgestell, ihr Gesicht war verschwitzt. Sie hatte die Decke zurückgeschlagen, und unter dem dünnen Hemdchen schimmerten die dunklen Adern ihres aufgequollenen Leibes hervor. Zwischen ihren Beinen breitete sich Nässe aus.
    »Mein Gott, Rita!« Emilia ließ den Teller fallen und achtete nicht darauf, dass das Essen auf den Boden kullerte.
    Wieder erklang ein Stöhnen.
    »Du hast Wehen, nicht wahr?«, rief Emilia aufgeregt.
    Sie hatte nie berechnet, wann genau die Geburt zu erwarten war, doch nun drängte das Kind wohl mit aller Macht auf die Welt.
    Ritas Stöhnen riss ab. Sie blickte sie aus leeren Augen an, aber immerhin nickte sie.
    »Seit wann …«
    Eine neuerliche Wehe überrollte Rita. Aus dem Stöhnen wurde ein Wimmern, ihre Füße strampelten ins Leere.
    Emilia wusste nicht viel über Geburten – nur, dass sie bereits fortgeschritten sein musste, wenn die Wehen so kurz hintereinander kamen.
    »Du hast schon seit mehreren Stunden Wehen«, stellte sie fest.
    Wieder sagte Rita nichts, sondern nickte nur schwach. Panik überkam Emilia. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Trotzdem bezähmte sie die eigene Aufregung und trat zu Ritas Bett, um beruhigend über ihr Gesicht zu streicheln.
    »Hab keine Angst«, tröstete sie sie mit einer viel sorgloseren Stimme, als ihr zumute war, »hab keine Angst. Ich schicke Ana zur Hebamme.«
    Die Hebamme war eine vierschrötige Frau mit Händen so groß und kräftig wie die eines Fleischers. Ihr Blick war kalt, über ihrem Mund wuchs ein Schnurrbart – und Emilia fragte sich insgeheim, ob sie nicht mehr Kinder getötet als auf die Welt gebracht hatte.
    Dennoch war sie unheimlich erleichtert, dass sie nun nicht mehr alleine mit Rita war.
    Am Anfang hatte es noch Momente gegeben, da sie sich gleichgültig gab – so, als hätte sie mit diesem rumorenden Schmerz im Leib nichts zu tun. Irgendwann jedoch war er so stark, dass die Klagelaute immer erbärmlicher und lauter wurden und gar nicht mehr abrissen. Nicht nur körperliche Schmerzen schienen sie zu quälen, wie das verzweifelte Gesicht bekundete, sondern auch böse Erinnerungen.
    Monatelang hatte Emilia sich gewünscht, dass Rita ihre Gefühle zeigen und nicht alles unterdrücken würde – doch nun, da sie weinte, sich wand, keuchte und schrie, glaubte sie, noch nie einen so gepeinigten Menschen gesehen zu haben. Unwillkürlich fragte sie sich, wie Rita nicht nur die Geburt, sondern auch all die dunklen Gedanken, die diese heraufbeschwor, überleben konnte.
    »Gott sei Dank!«, rief sie, als Hebamme endlich kam. »Gott sei Dank!«
    Diese blickte mit kalten Augen auf Rita hinab. »Das dauert noch«, stellte sie mitleidslos fest. »Machen Sie mir erst einmal einen starken Kaffee.«
    Emilia war eigentlich entschlossen gewesen, Rita keinen Augenblick mehr allein zu lassen, doch nun, da sie dem Wunsch der Hebamme Folge leisten musste, war sie froh, kurz dem Ganzen zu entkommen. Die Luft war heiß und stickig, Fliegen surrten um ihren Kopf. Als sie in die Küche hastete, brach ihr der Schweiß aus. In der Gaststube erwarteten sie ungeduldige Gäste, doch anstatt sich auch nur zu einem Mindestmaß an Höflichkeit durchzuringen, stellte sich Emilia in die Mitte des Raums und verkündete mit knurrender Stimme, dass heute die Küche kalt bliebe. Auf den Ärger und die Beschimpfungen der Gäste reagierte sie gleichgültig, und bald hatte sich die Stube geleert. Sie hatte keine Zeit, sich zu überlegen, ob sie manchen Gast für immer vergrault hatte, sondern brühte Kaffee auf. Als sie die Treppe später hochhastete, verschüttete sie etliche Tropfen, die heiß über ihre Hände liefen.
    »Der Kaffee könnte stärker sein«, stellte die Hebamme streng fest.
    Ana saß mittlerweile neben Ritas Bett und kühlte ihr aufgedunsenes, rotes Gesichtchen mit feuchten Tüchern. Emilia hatte keine Ahnung, wie sie sie

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