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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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murmelte sie, »irgendwie …«
    Sie hob den Blick und sah, dass Ana ebenso auf das Kind starrte, wenngleich viel distanzierter und skeptischer. Sie machte keine Anstalten, es auch einmal nehmen zu wollen, sondern deutete auf Rita, die ihren Kopf abgewandt hat. »Sie wird es ganz gewiss nicht großziehen. Wenn das Kind überleben soll, wirst du eine Amme brauchen.«
    Emilia wollte nicht so schnell aufgeben. Mit dem Kind im Arm hockte sie sich auf Ritas Bett. »Rita!«, rief sie eindringlich. »Deine Tochter braucht einen Namen.«
    Wenn sie es nur ansehen würde! Wenn sie nur diese kleinen Finger, diese Nase, das dunkle Haar betrachten und sich ein klein wenig selbst darin erkennen würde!
    Rita hielt die Augen nach wie vor geschlossen. »Such du einen aus«, erklärte sie knapp.
    Emilia zögerte, sah dann jedoch ein, dass ihr keine andere Wahl blieb. »Wenn ich Manuel geheiratet und eine Tochter bekommen hätte, hätte ich sie nach Annelie benannt. Annelie von Graberg. Ihr war es verwehrt geblieben, Kinder zu haben – aber für mich war sie immer wie eine Mutter. Eigentlich hieß sie nicht Annelie, sondern Anna Aurelia.«
    »Ruf sie lieber nicht Anna!«, warf Ana trocken ein. »Das wäre ein böses Omen – sie soll doch ein besseres Schicksal haben als ich.«
    »Dann eben nur Aurelia«, murmelte Emilia und wiederholte den Namen mehrmals ehrfürchtig: »Aurelia.«
    Rita schien gar nicht zugehört zu haben. Wenig später war sie eingeschlafen und bekam nicht mehr mit, dass Agustina – vom Quäken des Kindes angelockt – den Raum betrat. Ana runzelte die Stirn, aber Emilia verbot es ihr nicht, näher zu kommen. Als sie den Blick der fahrigen, alten Frau wahrnahm, der sehnsüchtig auf das Kind gerichtet war, fühlte sie einen Augenblick lang keinen Hader, keine Wut, keine Hilflosigkeit – nur Hoffnung. Hoffnung darauf, dass das Kind weder eine Bürde sein würde noch eine Erinnerung an Jerónimo und Esteban, sondern vielmehr ein Zeichen dafür, dass Versöhnung nicht unmöglich war, dass das Leben die Macht hatte, zu verändern, zu erneuern und die Spuren der Zeit zu verwischen. Als Agustina die Hände ausstreckte, um das Kind zu halten, verweigerte sie es ihr nicht.
    Unruhig ging Arthur am Hafen auf und ab. Selten hatte er sich derart wohlig und ausgeruht gefühlt wie an diesem Morgen, doch nun, da er schon so lange auf Emilia warten musste, wuchs seine Anspannung. Vorhin hatte er sich noch nach Balthasar gesehnt und danach, mit ihm reden zu können, aber mittlerweile war er insgeheim froh, dass der Freund nicht Zeuge seiner Unruhe wurde. Balthasars entblößendem Blick entging so gut wie nichts, vor allem dann nicht, wenn Arthur etwas vor ihm zu verbergen versuchte. Gewiss würde er auf seine gutmütige und doch auch etwas beißende Art spotten, dass er wie ein nervöser Schuljunge Emilias Eintreffen herbeisehnte.
    Wo ist nur die Selbstsicherheit geblieben, mit der du sonst Frauen neckst, verführst und wieder verlässt?, würde Balthasar wohl höhnen.
    Arthur konnte sich nicht erinnern, überhaupt jemals auf eine Frau gewartet zu haben – stets waren diese lange vor ihm da gewesen. Er hatte sich nie Mühe geben müssen, sich nie viele Gedanken machen. Jetzt hingegen war er tief verwirrt – nicht nur darüber, dass Emilia ihn verführt hatte und nicht umgekehrt, sondern vor allem, dass er sie so sehr begehrte.
    Bei allen anderen Frauen hatte eine Nacht gereicht, um seinen Appetit zu stillen – nun hatte er das Gefühl, er müsse sterben, könnte er Emilia nicht bald wieder in die Arme nehmen. Wie werde ich sie los?, war ansonsten meist der erste Gedanke gewesen, wenn seine Lust befriedigt war, nun fragte er sich: Wie kann ich sie nur halten?
    Er hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Er wusste nicht einmal, was er sich wünschen würde. Tatsächlich eine Zukunft mit ihr? Oder einfach nur einen weiteren Tag, um sie zu sehen, zu küssen und sie zu lieben, um ihr Mienenspiel zu beobachten, das ihm immer ein wenig zerrissen schien: So viel Stärke gab es da und so viel Verletzlichkeit, so viel Stolz, Härte und Kälte und zugleich etwas Melancholisches, Sehnsuchtsvolles. Ja, sie ging ihm einfach nicht aus dem Kopf – ständig musste er daran denken, wie sie roch, wie sie sich anfühlte, wie sie lächelte, wie sie die Haare, die wilden Haare zurückwarf.
    Seine Ungeduld wuchs. Immer wieder hatte er die gleiche Runde gedreht, stets in sämtliche Richtungen geblickt, doch weit und breit war nichts

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