Jenseits von Feuerland: Roman
so früh wie möglich zu saugen beginnen«, murmelte Emilia, »damit es genug von der Biestmilch bekommt. So nennt man die erste Milch, und sie ist sehr nahrhaft.«
Zögerlich fing das Lamm zu saugen an, doch nachdem es auf den Geschmack gekommen war, hörte es gar nicht mehr damit auf und schmatzte gierig.
Emilia erhob sich und blickte an sich herunter. Sie war über und über mit Blut und gelbem Schleim verschmiert. Hastig ging sie zur Futtertränke. Eigentlich musste diese immer sauber bleiben, hassten Schafe doch schmutziges Wasser, aber es war ihr unerträglich, mit diesen verklebten Händen die restliche Nacht zu verbringen, und so tauchte sie sie bis zum Ellbogen ein.
Als sie sich umdrehte und das Wasser abtropfen ließ, sah sie, dass Arthur immer noch hingerissen auf das Lämmchen starrte. Kein Ärger, keine Verbitterung standen in seinem Gesicht geschrieben – nur diese Ehrfurcht und Faszination, und sie konnte nicht anders, als davon gerührt zu sein.
»Ich glaube, ich kann nie wieder Lammbraten essen«, murmelte er.
Emilia lachte auf. »Das wirst du, wenn du Hunger hast.«
Arthur sah zu ihr. »Genau genommen, habe ich bereits Hunger. Es muss ja kein Lamm sein, es reicht schon eine Schnitte Brot mit ein wenig Butter darauf.« Ungeduldig stampfte er auf. »Verfluchter Balthasar!«
Das Wasser auf Emilias Händen war getrocknet, doch sie fühlte sich immer noch schmutzig, wusch sich abermals und benetzte auch ihren Nacken mit Wasser. Einzelne Tropfen flossen ihr über Schultern und Brüste. Arthur beobachtete sie – und diesmal konnte sie seinen Gesichtsausdruck nicht so leicht deuten wie eben noch. Ein wenig trotzig schien er ihr, aber auch sehnsuchtsvoll. Vielleicht täuschte sie sich auch, und er war einfach nur müde und ihrer überdrüssig.
»Vielleicht hast du vorhin recht gehabt«, gab sie nach einer Weile widerwillig zu. »Wenn wir uns aussprechen – dann lassen sie uns vielleicht eher hinaus.« Sie wischte ihre Hände am Kleid ab, trat dann entschieden auf die Heuraufe zu und nahm etwas Heu, um es auf den Boden zu legen. Mit ihm zu reden war eine zu große Überwindung, um es auch noch unbequem im Stehen zu tun. Als sie sich auf das Heu fallen ließ, fuhr ihr ein schmerzhafter Stich durch den Rücken. Sie massierte ihn, streckte sich, und ihr entfuhr ein wohliges Seufzen. Arthur war zu ihr getreten und abwartend stehen geblieben, nun hockte er sich ebenfalls auf das Heu, wenngleich darum bemüht, etwas Abstand zu ihr zu halten.
»Meinetwegen«, begann er und hielt den Blick starr auf seine Hände gerichtet. »Dann reden wir.«
»Wer fängt an?«, fragte Emilia betont sachlich.
»Womit anfangen?«
»Du hast vorhin gerade gesagt, dass wir reden sollen, und dann weißt du nicht, worüber?«, fuhr sie ihn an.
Er kniff die Augen zusammen, eine zornige Entgegnung schien ihm auf den Lippen zu liegen. Doch dann schluckte er sie herunter. Nachdenklich rieb er seine Hände aneinander. »Meinetwegen – dann gebe ich es eben zu.«
»Was?«
»Dass es mir nicht gefallen hat.«
»Was?«, fragte sie wieder.
Er seufzte.
»Du hast eben gesagt, du wolltest reden, und dann muss ich dir jedes Wort aus der Nase ziehen?«, schimpfte sie unbeherrscht.
»Also gut«, gab er nach, »es hat mir nicht gefallen, dass … dass … ich es nicht geschafft habe. Dich zu beeindrucken, meine ich. Dir zu genügen. Damals in Punta Arenas – du hast mich benützt und danach fortgeschickt.«
Emilia richtete sich empört auf. Der Ärger schnürte ihr die Kehle zu. Welchen Unsinn redete er da?
»Wer hat hier wen zurückgelassen?«, rief sie aufgebracht.
Erstaunt blickte er sie an. »Du wolltest mich doch nicht mehr sehen!«
»Von wegen! Du bist einfach abgereist, ohne noch einmal mit mir zu sprechen.«
»Hör auf, die Tatsachen zu verdrehen!«
»Ich verdrehe gar nichts. Ich habe Rita beigestanden, als sie ihr Kind geboren hat. Hätte ich das etwa nicht tun sollen?«
»Du hättest mir nicht dieses Mädchen schicken sollen, das mir ausrichtet, dass du die Nacht bereust.«
Emilia zuckte zusammen, der Ärger schwand. »Gütiger Himmel! Ich habe Agustina geschickt, damit sie dir ausrichtet, dass du auf mich warten sollst. Nein eigentlich …«, sie zog die Stirn in Falten, »wenn ich es recht überlege, habe ich nicht Agustina geschickt. Sie wollte in Ritas Nähe bleiben. Aber sie hatte ein Dienstmädchen bei sich. Und dieses Mädchen sollte dir sagen …«
»Eben!«, unterbrach er sie, und sie hörte all
Weitere Kostenlose Bücher