Jenseits von Feuerland: Roman
mit schlotternden Knien und rotem Gesicht das Haupthaus betreten, so dass alle wussten, was zwischen ihr und Arthur vorgefallen war, und noch weniger wollte sie, dass er glaubte, eine bloße Berührung genüge, um sie willenlos zu machen. Letzte Nacht war ihm das gelungen. Aber heute Morgen war sie wieder Emilia, die niemanden brauchte, um sich durchzubringen, und die schon gar nicht auf Gefühle setzte, die vage, unzuverlässig und manchmal auch schmerzhaft sein konnten. Sie straffte den Rücken und stapfte davon.
»Emilia«, rief er ihr nach, »ich kann nicht ewig bleiben. Ich habe Geschäfte zu erledigen … in Valparaíso, in Hamburg und in der Atacama-Wüste. Ich muss eure Estancia bald wieder verlassen.«
Sie konnte nicht verhindern zusammenzucken. Doch als sie sich zu ihm umwandte, war ihr Gesicht gleichgültig und verriet nichts von dem Schmerz, den der Gedanke, ohne ihn hier zurückzubleiben, in ihr hervorrief.
»Dann reitest du eben wieder fort«, erklärte sie kühl, »und erledigst deine Geschäfte.«
Er lächelte halbherzig. »Und es macht dir nichts aus?«
Sie presste ihre Lippen zusammen. »Vielleicht ein ganz kleines bisschen.«
»Soll ich wiederkommen?«
Er trat zu ihr. Obwohl er sie nicht noch einmal berührte, fühlte sie die Hitze, die in ihr aufstieg. Sie atmete tief durch und dankte im Stillen, dass sie so sehr darin geübt war, sich keine Schwäche anmerken zu lassen. »Ich habe hier mein Leben und du anderswo deines«, erklärte sie ganz nüchtern. »Aber wenn sich zwischendurch unsere Wege kreuzen, habe ich nichts dagegen.«
»Und mehr willst du nicht?«
Sie trat einen Schritt von ihm fort und konnte dadurch etwas befreiter atmen. »Mein Leben ist schwer genug. Und Liebe tut unnötig weh. Wobei das zwischen uns mit Liebe ohnehin nichts zu tun hat.«
Sie verhaspelte sich beinahe an den Worten und fragte sich unwillkürlich, wen sie da eigentlich belog – ihn oder sich. Als sie sah, wie sein Lächeln schwand, kämpfte sie kurz damit, die Worte wieder zurückzunehmen. Doch stattdessen fragte sie nur spöttisch: »Bist du nun enttäuscht?«
»Von wegen!«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen. »Das kommt mir gerade recht.«
Nun war er es, der den Rücken straffte und erhobenen Haupts an ihr vorbeiging. Das blonde Haar wehte im Wind. Kurz konnte sie sich beherrschen, dann lief sie ihm nach.
»Wirst du andere Frauen haben?«, fragte sie atemlos.
»Sag bloß, du bist eifersüchtig?« Jetzt klang er spöttisch.
»Ich bin nicht eifersüchtig«, murmelte sie trotzig. »Ich will es nur wissen.«
»Und wenn ich es dir nicht sage? Kannst du mit der Ungewissheit leben? Da doch, wie du sagst, keine Liebe im Spiel ist?«
Eine Weile kaute sie auf den Lippen; die Erinnerung an die Lust verblasste, zurück blieb nur Angst vor Leere und Einsamkeit, die sie verzagt stimmte. Auch wenn sie sich ihm in der Nacht ganz hingegeben hatte – bei Tageslicht konnte sie sich ihm nicht mit Haut und Haaren ausliefern und ihre Gefühle bekennen. »Und ob ich das kann«, erklärte sie schroff und eilte auf das Haupthaus zu, ohne sich noch einmal zu ihm umzudrehen.
Zwei Tage später nahm Arthur Abschied von Emilia. Nachdem er sich aufs Pferd geschwungen hatte, versteckte sie sich im Schatten des Haupthauses. Sie wollte nicht, dass irgendjemand sie sah. Vor ihm selbst hatte sie sie eben noch zu verbergen gewusst, aber als sie ihm nachsah und die Hufe des Pferdes eine Staubwolke aufwirbelten, hatte sie keine Macht mehr über ihre Züge. Trostlos fühlte sie sich, verlassen. Das Licht erschien ihr plötzlich so viel fahler, die Welt so farblos. Ein trockenes Schluchzen löste sich aus ihrer Kehle. Sie schluckte heftig dagegen an, denn sie wusste, dass sie nicht wieder aufhören könnte zu weinen, wenn auch nur eine Träne über ihre Wangen perlte.
Rita trat leise zu ihr, doch Emilia stieß ihren Arm zurück, als sie über ihre Schultern streicheln wollte.
»Wir haben so viel zu tun«, erklärte sie mit gleichgültiger Stimme. »Die Lammung hat eingesetzt, das heißt, ab heute müssen die Koppeln täglich beritten und über die Geburten Buch geführt werden. In vier Wochen müssen wir die Lämmer markieren. Und außerdem dauert es nicht mehr lang, dann beginnt die Schafschur. Wenn ich nur daran denke! Drei Wochen ohne eine einzige Pause, und …«
»Emilia!«
»Wir brauchen bessere Treiber als beim letzten Mal. Diese Männer kommen während der Schur kaum aus dem Sattel, da sollten sie notfalls
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