Jenseits von Feuerland: Roman
vertreiben sollen.«
»Jetzt probierst du’s also doch!«
»Was?«
Mich zu verführen, wollte sie sagen, aber plötzlich konnte sie es nicht. Ihr Mund wurde noch trockener. Er hatte sie losgelassen, aber sein Körper war dicht an ihren gepresst, sie konnte seinen unruhigen Herzschlag spüren. Vielleicht war es auch das eigene Herz, das so rastlos pochte und sich so sehr sehnte – sich nach ganz anderem als Sorge und Schufterei und Überlebenskampf sehnte, nach einem gestohlenen Augenblick in einer von allem abgeschotteten Welt, in der der Alltag ebenso wenig Macht hatte wie unliebsame Erinnerungen, in der das Begehren ihrer Körper eindringlichere Befehle sprach, als sie es je mit schnippisch-herrischer Stimme tun konnte.
»Was«, fragte er wieder, »was probiere ich?«
Anstatt zu antworten, hob sie die Arme, packte ihn unwillkürlich an den Schultern und drückte ihn entschlossen aufs Heu.
»Emilia …«
»Sag nichts.« Ihre Stimme wurde immer leiser, versagte schließlich ganz.
»Das letzte Mal hast du darauf bestanden, dass du mich verführst, nicht umgekehrt«, gab er nicht minder heiser zurück.
»Weil es die Wahrheit ist«, flüsterte sie. »Weil ich entscheide, was ich will.«
Er versuchte, sich zu erheben, doch als sie sich auf ihn setzte, ließ er seinen Kopf matt aufs Heu sinken. Eine Weile hockte sie auf ihm, spürte seine harte Brust, den weicheren Bauch, darunter sein Geschlecht, das sich ihr entgegenwölbte.
»Und was willst du jetzt?«, fragte er rauh.
Sie strich über sein Gesicht, seinen Hals, seine Brust. So viele Jahre war es her, dass sie ihn das letzte Mal berührt hatte – trotzdem war ihr sein Körper so vertraut, als wäre sie jeden Abend an seiner Seite eingeschlafen und jeden Morgen neben ihm erwacht.
»Ich will, dass du endlich deinen Mund hältst!«, brachte sie raunend hervor.
Sie schloss die Augen, beugte sich vor und senkte ihre Lippen auf seine. Willig gewährte er ihr Einlass. Als ihre Zungen sich trafen, sie sich ihre Kleider vom Leib zerrten, ihre Körper alsbald verschmolzen wie ihre Münder, bebend und gierig und heiß, fragte sie sich, wie sie jemals darauf hatte verzichten können. Ihre Anspannung wuchs, platzte wie eine aufgeblähte Blase und entlud sich in Stöhnen und Seufzen, in Gurren und Hauchen. Erst klammerte sie sich an ihn, dann krallte sie ihre Finger in seinen Rücken, dass er halb lachend, halb gequält aufjaulte. Er packte sie an den Schultern, wälzte nun sie auf den Rücken und kam auf ihr zu liegen. Hungrig wölbte sie ihm den Leib entgegen, schlug ihm abermals die Nägel in den Rücken.
»Gott, wenn du nur weniger Kraft in deinen Händen hättest!«, klagte er grinsend.
Ihre Finger glitten höher und zogen sein Gesicht auf ihres herab, um ihn erneut zu küssen. Nun konnte er nichts mehr sagen – und sie wollte es nicht. Sie dachte nur, dass sie sich nicht kräftig und stark fühlte wie bei ihren täglichen Arbeiten, vielmehr fiebrig und zittrig, weich und sehnsuchtsvoll. Wenn sie hätte stehen müssen – ihre Beine hätten nachgegeben. Und wenn sie zu irgendeinem anderen Zeitpunkt solch ein Gefühl überkommen hätte – sie hätte sich als schwach beschimpft. Doch nun störte sie die Schwäche nicht. Nun tat sie einfach nur gut.
Als Balthasar und Rita sie am nächsten Morgen befreiten, hatten sie sich längst wieder angekleidet. Emilia war von Arthur abgerückt und eben damit beschäftigt, das Heu aus ihrem blonden Haar zu ziehen. Als Balthasar und Rita bei ihrem Anblick auflachten, strafte sie sie mit kühlem Blick.
»Sag einfach gar nichts!«, bellte sie die Freundin an, doch ihre Stimme geriet nicht so schroff wie sonst. Ein satter, zufriedener Ton klang hindurch, und Rita schien sich auch nicht daran zu stören, dass sie sie anfuhr, sondern lächelte. Immer noch belustigt? Oder etwa wissend?
Ohne sich nach Arthur umzublicken, trat Emilia ins Freie. Die Sonne erschien ihr heute besonders hell, der Wind wehte nicht ganz so stark. Die Luft war so klar, dass man in die Weite der Pampa blicken konnte. Kaum waren Rita und Balthasar unauffällig verschwunden, trat Arthur dicht an sie heran. Wie zufällig strich er ihr über die Schultern und entfachte alle Empfindungen der Nacht erneut: Beben und Lust und Sehnsucht und Hunger und Gier und Erfüllung, so intensiv, dass es fast weh tat. Jedes Stück Haut schien geschmolzen zu sein, jede Faser von diesem Brennen erfasst worden.
Unmerklich machte sie sich von ihm los. Sie wollte nicht
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