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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Estancia zurückkehrte. Doch schon im nächsten Augenblick verhärteten sich ihre Züge, und sie widmete sich wieder der Wäsche, als hätte sie ihn nicht bemerkt.
    Maril war ein stets wiederkehrender Gast, doch weder kündigte er seine Besuche jemals an noch, wie lange er bleiben würde. Manchmal waren es nur wenige Tage, manchmal Wochen. Er schien sich hier wohl zu fühlen, aber das hielt ihn nicht davon ab, stets so plötzlich zu verschwinden, wie er aufgetaucht war. Nicht nur einmal hatte Ana ihm wütend nachgerufen, dass ihn gewiss eine Kugel von einem englischen Schafzüchter oder von chilenischem Pack treffen würde.
    »Würdest du dann ein Pferd für mich schlachten?«, fragte er sie daraufhin, denn dies war bei den Tehuelche der übliche Brauch, um einen Verstorbenen zu betrauern.
    Jedes Mal stemmte Ana ihre Hände in die Hüften und erklärte eisig: »Ich würde keinen einzigen Gedanken an dich verschwenden. Und die Pferde brauchen wir alle selbst – die werden wir gewiss nicht für dich schlachten.«
    Oft musste Rita an Emilia und Arthur denken, wenn sie die beiden beobachtete. Ana und Emilia konnten Schwestern sein – verbargen sie doch beide ihre Sorgen und Gefühle stets hinter Schroffheit. Nur die Methoden, damit zu leben, waren andere: Emilia schuftete noch härter, wenn ihr etwas Kummer bereitete, und scheuchte sämtliche Bewohner über die Schaffarm – selbst mit Don Andrea redete sie beizeiten so befehlend, als wäre er ein kleines Kind –, Ana dagegen wurde immer stiller, zog sich zurück und streifte nächtelang durch die Einsamkeit. Wortkarg war sie schon früher gewesen – nun verstummte sie jedes Mal gänzlich, wenn Maril die Estancia wieder einmal verließ. Kam er allerdings wohlbehalten wieder, wurde sie nicht sonderlich gesprächiger – so auch jetzt nicht, da sie sich weigerte, ihn zu begrüßen, sondern vermeintlich nur Augen für ihre Wäsche hatte.
    Dessen ungeachtet dirigierte Maril sein Pferd zu ihr, sprang dicht neben ihr ab, und wenn Ana auch die Lippen zusammenkniff, so starrte sie ihn dennoch ehrfürchtig an, wie immer sichtlich beeindruckt von dieser so eleganten, ja aristokratisch anmutenden Erscheinung.
    Offenbar kam Maril eben von der Jagd. Sein muskulöser Oberkörper war nackt wie so oft, in der rechten Hand trug er eine Lanze. Erst vor kurzem hatte er sie angefertigt und sich zu diesem Zweck eine ihrer alten Scherenspitzen erbeten. Den hölzernen Griff hatte er selbst geschnitzt. Über dem Sattel seines Pferdes hingen mehrere Decken und Umhänge – nicht nur, um weich zu sitzen, sondern um jederzeit und überall ein Nachtlager aufschlagen zu können. Das dunkle, lange Haar glänzte stärker als sonst – wahrscheinlich weil er es entweder mit Pferdefett, Straußenfett oder mit dem Mark von Guanakofohlen eingeschmiert hatte. Letzteres duftete viel angenehmer, als Rita es erwartet hätte, nämlich nach Veilchen. In der Stirn wurde das Haar mit einem Band zurückgehalten, auf dem viele kleine Kupferplättchen, die im Licht leuchteten, angebracht waren.
    Rita hatte Maril einmal beobachtet, wie er sich mit einem Kamm aus grobem, trockenem Gras voller Sorgfalt seine Haare gekämmt und jedes Haar, das er verlor, hinterher eingesammelt und verbrannt hatte. Warum er das täte, hatte sie gefragt, und er hatte – wie üblich ausdruckslos – gemurmelt, dass dies eine alte Sitte sei, um zu verhindern, dass irgendjemand mit seinen Haaren einen bösen Zauber triebe. Nicht nur seine Haare pflegte Maril gründlich – auch sonst legte er viel Wert auf Reinlichkeit. Er rasierte sich nicht nur regelmäßig, sondern ging, so er sich denn auf der Estancia aufhielt, jeden Tag zu einem nahe gelegenen Tümpel, um dort nackt zu baden. Zumindest behauptete Ana, dass er nackt wäre, woraufhin Rita gemeint hatte, dass sie das nur wissen könnte, wenn sie ihm heimlich gefolgt wäre und ihn beobachtet hätte. Ana hatte stolz behauptet, sie hätte gerne darauf verzichten wollen, ihn nackt zu sehen; sie hätte lediglich wissen wollen, was Maril dort heimlich in dem Tümpel treibe. Was, so hatte Rita lachend gefragt, könnte man denn anderes in einem Tümpel tun als baden? »Er hätte ja auch Fische fangen können«, hatte Ana stur erklärt, obwohl sie natürlich wusste, dass die Tehuelche keine Fische aßen.
    Maril hatte ihnen nicht nur erzählt, wie er den eigenen Körper pflegte, sondern auch berichtet, wie sich die Frauen seines Volkes die Haare frisierten. Er hatte auf Ritas

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