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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Jerónimo viel schwächer war und planloser und dass er einfach nur von blinder Rachsucht getrieben war. Diese Blindheit konnte sie sich zunutze machen!
    Obwohl Rita am ganzen Körper zitterte, nahm sie all ihre Kraft zusammen, hob ihren Fuß und versuchte, ihn damit zu treffen. Zwar zielte sie ins Leere, aber ihre abrupte Bewegung sorgte dafür, dass Esteban kurz das Gleichgewicht verlor. Er kippte zurück, landete mit seinem Hinterteil im Staub. Rasch wälzte sich Rita auf den Bauch, sprang auf und wollte weglaufen. Sie kam nur drei Schritte, dann hatte Esteban sich wieder aufgerappelt und stellte ihr ein Bein. Nun war sie es, die fiel und deren Mund sich mit Staub füllte. Sie wollte um sich schlagen, wollte schreien, konnte es jedoch nicht. Esteban packte sie mit brutalem Griff am Nacken, drückte ihr Gesicht immer tiefer in den Staub. Als sie glaubte, schon zu ersticken, drehte er sich um, setzte sich schwer auf ihren Leib und presste ihre Hände über ihrem Kopf auf die Erde.
    »Ihr wollt mir das Land nicht geben und auch kein Geld! Aber das schwöre ich dir, kleine Indianerhure – wenn ich auch sonst nichts kriege. Dich kriege ich! Immer und immer wieder!«
    Rita hustete. Sand war in ihre Augen geraten und machte sie blind. In ihren Gliedern schien kein Blut mehr zu fließen, so taub und gelähmt, wie sie sich anfühlten. Vielleicht war es eine Gnade – so musste sie ihn wenigstens nicht spüren wie beim letzten Mal, musste einfach nur still liegen, bis alles vorüber war, musste nichts denken. Ein letzter Gedanke allerdings kam ihr doch noch. Die Schere … irgendwo lag ihr Beutel, und darin war ihre Schere …
    Anstatt danach zu greifen, blieb sie jedoch einfach starr liegen. Eine stärkere, mutige Frau könnte es vielleicht schaffen, könnte die Schere an sich bringen und ihm damit eine zweite Narbe zufügen. Eine Frau wie Emilia. Eine Frau wie Ana. Aber sie konnte gar nichts, konnte nur reglos daliegen und sich für ihre Schwäche schämen und hassen und verachten.
    »Soll ich dir noch einen Bankert machen?«, höhnte er. »Damit deine Tochter einen Spielkameraden hat?«
    Sie stöhnte auf – aber damit erschöpfte sich ihr Widerstand. Sie dachte an den Vater, an die Großmutter und dass beide geraten hätten zu kämpfen, sie dachte an Maril und seinen Stolz darauf, ein Tehuelche zu sein. Doch ihr eigener Stolz reichte nicht aus, um gegen Esteban zu kämpfen – gegen ihn und das Gefühl, dass sie es verdiente, dass es ihr ganz recht geschah … weil sie so leichtgläubig war, so hilflos.
    Sie presste die tränenden Augen aufeinander, biss sich auf die Lippen, und das Einzige, was sie hoffte, war, dass es schnell vorübergehen möge.
    Eben ließ Esteban eine ihrer Hände los und begann, an seiner Hose zu nesteln. Dann richtete er sich ein wenig auf, um Platz zu haben und an ihrem Kleid zu zerren. Noch bevor seine gierigen Hände ihr nacktes Fleisch befingerten, senkte sich erneut ein Schatten über sie.
    Rita blinzelte und sah, dass der Schatten nicht von Wolken stammte, die die Sonnenstrahlen abschnitten, sondern von Menschen – von Ana, Maril, Balthasar.
    Bevor Esteban sich nach ihnen umdrehen konnte, riss Balthasar ihn schon von Rita. Er war kleiner als er und mit seinem hinkenden Bein so viel schwächer, doch dass Esteban betrunken war, stellte einen Gleichstand zwischen ihnen her, und was immer ihm Balthasar an Wendigkeit nachstehen mochte – seine Wut machte es wett, Wut, wie Rita sie noch nie an ihm gesehen hatte.
    »Du Hurensohn!«, schrie er mit einer Stimme, die ihr fremd war. Er riss Esteban zu Boden, ballte seine Hände zu Fäusten und schlug ihm mit beiden gleichzeitig ins Gesicht. »Du verdammter Hurensohn! Ich bringe dich um!«
    Die Lähmung fiel von Rita ab, sie konnte ihre tauben Glieder wieder bewegen, sich aufsetzen und fassungslos auf die beiden Männer starren. Nie hatte sie Balthasar so in Rage erlebt, kannte ihn nur als den leicht spöttischen, genau beobachtenden, zurückhaltenden und stets freundlichen Mann, der keinen Hehl daraus machte, dass er sich mit anderen Männern nicht messen konnte. Doch nun prügelte er hemmungslos auf Esteban ein – und nicht nur seine Wut schwappte auf Rita über, sondern auch seine Kraft. Nein, jetzt war sie kein ängstliches, starres Mädchen mehr, sondern griff hastig nach der Schere in ihrem Beutel und schwang sie energisch in der Luft, bereit, sich damit in die Schlacht zu stürzen und Balthasar beizustehen. Ihrem Balthasar. Der sie

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