Jenseits von Feuerland: Roman
ein.
Maril blickte ihn wieder verwundert an. »Ich dachte, bei euch gibt es nur einen Gott und nicht etwa zwei – einen katholischen und einen protestantischen.«
Don Andrea war der Einwurf entgangen, aber Ana musste grinsen. Noch mehr als die Gottesfrage interessierte sie etwas anderes. »Wie viele Tiere wäre ich dir wohl wert, wenn du mich heiraten würdest?«, sinnierte sie laut.
Maril schüttelte den Kopf. »Du hast es falsch verstanden – nicht ich müsste für dich bezahlen, sondern dein Vater müsste mir Tiere, am besten Pferde, geben, wenn du mich heiraten wolltest.«
»Aber ich habe keinen Vater«, rief Ana leichtfertig. »Wahrscheinlich müsste in meinem Fall Emilia zahlen, dann aber Schafe, keine Pferde. Wobei – ich habe dir doch schon das Leben gerettet. Das wiegt gewiss jede Mitgift auf.«
»Ungeachtet der Mitgift – würdest du mich überhaupt heiraten wollen?«, fragte Maril mit der Andeutung eines Grinsens.
»Das müsste ich mir in der Tat noch gut überlegen.«
»Nun – selbst wenn man verheiratet war –, bei uns ist es ganz leicht, sich wieder zu trennen. Wenn jemand die Scheidung will, egal, ob Mann oder Frau, geht man auseinander und sucht sich einen neuen Partner. Und ein Mädchen muss nie gegen seinen Willen heiraten, auch wenn sich Bräutigam und Vater über die Mitgift einig wurden.«
»Na ja«, meinte Ana, »so schön und leicht, wie du es schilderst, ist bei euch das Frauenleben dennoch nicht. Hast du nicht auch schon mal erzählt, dass ein Mann oft mehrere Frauen hat – und die anderen der ersten als Dienstbotin dienen müssen?«
Maril zuckte die Schultern. »Du hättest doch auch gerne Hilfe beim Kochen, nicht wahr?«
»Ich werde es dir auf jeden Fall nicht untersagen, mit anzupacken.« Ana grinste, als Maril irritiert die Braue hob.
»Kochen ist Aufgabe der Frauen«, verkündete er, »wir Männer jagen.«
»Ich weiß, ich weiß. Und die Frauen müssen auch ganz alleine die Zelte von einem Ort zum anderen tragen – ohne geringste Hilfe von den Männern.«
Darauf wusste Maril nichts zu sagen, und Ana vertiefte das Thema nicht weiter, sondern begann nun endlich, die Pilze klein zu hacken. Agustina war abwartend stehen geblieben, doch ehe sie ihr erneut ihre Hilfe antrug, kam Aurelia in die Küche gestürmt. Sie hatte einen Bogen Papier in der Hand, schwenkte ihn in der Luft und verkündete stolz, sie habe ein Bild gemalt. Aufgeregt zupfte sie an Anas Schürze. »Schau nur, schau nur, wen ich gezeichnet habe!«
»Ich habe keine Zeit, ein Bild anzusehen, ich muss kochen!«, erklärte sie mit scharfem Tonfall, der Aurelia sofort zurückweichen ließ.
Sie trabte zu Don Andrea. »Schau du, was ich gemalt habe!«
Der beachtete sie erst gar nicht. »Ist sie nun getauft?«, stöhnte er zum wiederholten Male.
Einzig Agustina beugte sich zu Aurelia nieder, obwohl ihr das sichtlich Schmerzen im Rücken bereitete. »Ich würde es mir gerne anschauen«, sagte sie leise.
Ana entging Aurelias misstrauischer Gesichtsausdruck nicht. Offenbar war sich die Kleine noch nicht sicher, was sie von der Frau zu halten hatte, die nun schon seit einigen Wochen auf der Estancia lebte. Genau betrachtet, war diese der erste alte Mensch, dem sie jemals begegnet war. Ungewöhnlich waren sie zwar alle – Balthasar hässlich, Maril ein Tehuelche, Pedro dick wie kein Zweiter, und Don Andrea sprach diesen merkwürdigen Akzent –, aber eben keiner alt.
Doch bestochen von Agustinas ehrlicher Neugierde, zeigte Aurelia ihr Bild, und Agustina bestaunte es ausführlich und stellte Fragen.
Erst nach einer Weile richtete sie sich wieder unter Schmerzen auf und trat zu Ana: »Ich könnte frisches Wasser holen«, schlug sie vor. »Vorhin wollte ich auch mitgehen, als Balthasar und Rita die Schafkoppel abritten …«
»Da wärst du ihnen eine schöne Hilfe gewesen!«
»Aber ich würde doch so gerne etwas tun!«
Ana schüttelte den Kopf. »Du musst hier nicht die Sklavin spielen, nur weil du dich für Esteban schämst. Rita und Emilia haben dir immer angeboten, dich aufzunehmen – jetzt lebst du hier, und es ist gut. Du musst es dir nicht verdienen. Dir gehört dieses Land.«
Agustinas Gesicht verzog sich kummervoll, und Ana konnte ihren leisen Ärger nicht unterdrücken. Sie witterte Schwäche und Entschlusslosigkeit – und sie wusste, dass beides dazu beigetragen hatte, aus Esteban zu machen, wer er war. Selbst wenn Ana der alten Frau nicht die Schuld für seine Untaten geben
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