Jenseits von Feuerland: Roman
Familie zu entfliehen, aber ich habe von Anfang an geahnt, dass du mich nicht glücklich machen würdest.«
»Eben deswegen sollten wir die … Sache zu Ende bringen!«, rief er eindringlich. »Und zwar so schnell wie möglich! Ach Nora, lassen wir uns scheiden. Unsere Ehe ist nie vollzogen worden. Du bist ohne mich viel besser dran.«
»Das stimmt.« Sie machte eine Pause, und er schöpfte schon Hoffnung, dass er sein Ziel schnell und leicht erreichen würde, als sie bitter hinzufügte: »Aber tu nicht so, als ginge es dir um mein Wohl. Ich bin dir doch völlig gleich.«
»Du würdest versorgt sein!«
»Wie auch nicht? Du stündest längst auf der Straße, wenn du nicht meine Mitgift hättest.«
Arthur fühlte, wie die Wut ihn wieder erfasste. »Mein Onkel glaubte damals, dass wir ohne Hilfe deines Vaters bankrottgehen würden, das stimmt«, sagte er trotzig. »Aber ich habe unser Geschäft längst gerettet! In Chile bin ich Teilhaber von mehreren Firmen. Der Salpeterhandel wirft jede Menge Geld ab. Es ist genug da, so dass du deine ganze Mitgift wiederhaben könntest. Aber darum geht es dir nicht, oder?«
»Nein«, gab sie zurück, und erstmals brach ihre kühle Stimme. Für einen Moment beschlich ihn das beklemmende Gefühl, dass sie kurz davor stand, in Tränen auszubrechen, dass sie also alles andere als kalt und hart war, doch sie schluckte mehrmals heftig und brachte dann zwar rauh, aber ohne zu stocken hervor: »Es geht darum, dass du dich aus dem Staub machen willst, um dich mit deinen Huren zu vergnügen. Und ich sitze dann hier mit dem schlechten Ruf einer geschiedenen Frau! Arthur, ich brauche keinen Mann, ich habe nie einen gebraucht, aber nun ist es eben so, dass ich mit dir verheiratet bin, und ich will es auch bleiben – zumindest offiziell. Wenn wir uns scheiden ließen, so würden die scheelen Blicke doch mir gelten, nicht dir. Du bist der Mann, und einem Mann sieht man so vieles nach. Aber ich wäre die Gebrandmarkte! Ich müsste mit der Schande leben! Und das tue ich nicht. Schon gar nicht um deinetwillen … oder um dieser blonden Hure willen.«
»Emilia ist keine …«
»Mir ist ganz gleich, was sie ist«, unterbrach sie ihn unerwartet harsch. »Aber du wirst von mir nicht die Zustimmung zu einer Scheidung bekommen. Und du weißt, dass es schwierig ist, eine Ehe aufzulösen, wenn es nicht einvernehmlich geschieht.«
Seine Kiefer rieben aufeinander. »Ich habe mich erkundigt«, presste er hervor, »es gibt durchaus Gründe, die das ermöglichen …«
Ein Laut entfuhr ihr, der einem Kichern glich. Wenn es je einen Menschen gegeben hatte, der allein kraft seiner Stimme einen anderen erfrieren lassen konnte, dann musste es Nora van Sweeten sein.
»Ja«, rief sie, »Gewalt wäre zum Beispiel ein guter Scheidungsgrund. Doch nicht mal dafür bist du mir nahe genug gekommen. Ehebruch wäre ein anderer – aber den kann nur ich dir vorwerfen, du mir hingegen nicht. Und eins schwör ich dir, Arthur Hoffmann: Selbst wenn irgendjemand diese Scheidung vollziehen sollte, so werde ich zu sämtlichen Instanzen gehen, um Berufung einzulegen. Ich lasse mich von dir nicht wie ein wertloses Möbelstück behandeln! So leicht wirst du mich nicht los!«
Während sie sprach, hatte sie sich abgewandt, nach einem Hut gegriffen und ihn aufgesetzt. Bis eben noch hatte sie ihre Fassung wahren können, doch nun sah er, wie ihre Schultern bebten.
»Was willst du eigentlich?«, entfuhr es ihm.
Sie drehte sich wieder um, straffte den Rücken. Ihre Wangen hatten sich leicht gerötet, und ihre dunklen Augen glänzten noch feuchter als zuvor, doch sie erklärte bestimmt: »Von dir will ich gar nichts! Ich will nur meinen guten Ruf wahren. Und nun geh mir aus dem Weg.«
Sie war kleiner und zarter als er, doch als sie mit starrem Rücken auf ihn zugeschritten kam, wich er unwillkürlich zurück – voll tiefer Verlegenheit, obwohl er nicht wusste, woher diese rührte: Weil er gescheitert war und das nicht zuletzt aus eigener Schuld? Weil er sich gar nicht die Mühe gemacht hatte, sich zu überlegen, wie sie seine Worte aufnehmen würde? Oder weil trotz dieser starren Haltung Verzweiflung aus ihr atmete – der Kummer über verlorene Lebensjahre, der nicht ihm allein, aber eben auch ihm anzulasten war und den zu erahnen er all die Jahre versäumt hatte?
Nein, sie zitterte nicht mehr, sie weinte nicht – aber plötzlich war er sich sicher, dass sie oft geweint hatte. Nicht seinetwegen, sondern wegen der
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