Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
Einsamkeit, die er ihr – ob nun willentlich oder nicht – zugemutet hatte. Er war verwirrt, beschämt und irgendwie auch besorgt.
    Erst als er ihr nachsah, wie sie den Raum verließ, um die Treppe hinunterzugehen, erwachten wieder Zorn und Ohnmacht und wurden übermächtig. Er wäre ihr am liebsten nachgelaufen, hätte ihr am liebsten den Hut heruntergerissen, an ihrem Cape gezerrt und ihre Haare durchwühlt – nicht, um sich für die strikte Ablehnung seines Ansinnens zu rächen, sondern um nach den Gefühlen, die irgendwo unter ihrer kühlen Haltung begraben lagen und die sie ihm nicht zeigen wollte, zu suchen. Doch er zögerte zu lange. Als er ihr endlich nacheilte, war sie schon auf der untersten Stufe angekommen.
    Eine Weile verharrte er mit geballten Fäusten, erneut zerrissen von Enttäuschung, Wut – und Schuldgefühlen, weil er ihr nie auch nur die geringste Chance gegeben hatte, ihm eine gute Ehefrau zu sein. Doch seine Angst, Emilia zu verlieren, war größer als sein Mitleid.
    Er hielt es in dem großen, dunklen Haus nicht länger aus, griff nun seinerseits nach seinem Mantel und stürmte ins Freie. Er hatte schon lange nichts mehr getrunken, aber jetzt erwachte das Bedürfnis, sich hemmungslos zu besaufen und alles zu vergessen – so wie früher, als er sich von seinen Pflichten fortgestohlen hatte.
    Doch als er nach draußen trat, stutzte er. Er hatte nicht bemerkt, dass es schon so spät geworden war. Kühler Wind wirbelte den Staub der Straßen auf, Nachtwächter entzündeten die Laternen; die Sonne, ohnehin nur bleich und schwach, war längst untergegangen. Es bestand kein Zweifel: Die Nacht brach über Hamburg herein.
    Doch was bewog Nora, zu so später Stunde das Haus zu verlassen?
    Als sie sich vorhin zurechtgemacht hatte, hatte er vermutet, dass sie eine Kutschfahrt unternehmen, in ein Kaffeehaus gehen oder ihre Schwester besuchen würde, doch diesen Gedanken verwarf er nun. Unmöglich aber auch, dass es sie ins Theater oder in die Oper zog – nicht in diesem schmucklosen Aufzug!
    Er sah nach rechts und links und wähnte am Ende der Straße einen schwarzen Schatten huschen.
    Da war sie ja! Und sie ließ sich nur von Flori begleiten, nicht etwa mit der Kutsche fahren!
    Ha!, lachte er in sich hinein. Wohin sollte sie so spät am Abend gehen, vor allem heimlich, wenn nicht zu einem Liebhaber? Da faselte sie etwas von einem guten Ruf, behauptete, nur er hätte sie betrogen, nicht umgekehrt, gab vor, dass er sie mit seiner ablehnenden Haltung wirklich tief gekränkt hätte, und dann das!
    Arthur grinste, als er dem schwarzen Schatten nachlief.
    Mit viel Geduld hatte er herausgefunden, wo Emilia lebte und arbeitete. Mit gleicher Geduld würde er sich nun an Noras Fersen heften. Er würde aufdecken, was sie zur nachtschlafenden Zeit trieb, und wenn er sie erst mal in flagranti in den Armen eines anderen erwischt hatte, konnte sie sich einer Scheidung nicht länger verweigern. Und dann musste Emilia ihm verzeihen, ja, sie musste einfach!

35. Kapitel
    R ita stand vor der Estancia und starrte in die Weite. Das Wetter war umgeschlagen und der Winter innerhalb weniger Tage mit seinen beißenden Stürmen, die baldigen Schnee ankündigten, über das Land hereingebrochen. Wie eine dicke Decke würde sich der über alles legen, erstickend und lautlos.
    Emilia und Ana hatten den Winter immer gehasst, denn er verlangte von ihnen, viel häufiger stillzusitzen als in den betriebsamen wärmeren Monaten. Rita hingegen hatte diese Zeit gemocht – die Zeit des Spinnens, des Webens, des Färbens. Selbst jetzt war sie irgendwie dankbar dafür, dass die Sonne sich versteckte, ihr nicht mit warmen Strahlen Ahnung von Frohsinn und Glück vorgaukelte und das Wetter den Winter in ihrem Herzen spiegelte. Doch zugleich machte ihr die Kälte schreckliche Angst. Würde ihr Mädchen frieren? Aber lebte es überhaupt noch, um zu frieren?
    Balthasar beschwor sie eindringlich, dergleichen nicht einmal zu denken, sich ihren Ängsten und Sorgen nicht anheimzugeben, sondern beharrlich an der Hoffnung festzuhalten, dass alles gut werden würde, aber sie konnte nicht anders, als sich wieder und wieder diese Fragen zu stellen.
    Mittlerweile waren sie seit vielen Wochen auf der Suche nach Aurelia, Esteban und Jerónimo: Maril und seine Männer halfen ebenso mit wie – sobald dieser zur Estancia zurückgekehrt war – Pedro und seine Männer. Balthasar ignorierte eisern die Schmerzen, die ihm sein Bein bereitete, und

Weitere Kostenlose Bücher