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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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sich überanstrengen. Trotz allem müssen Sie zuvörderst auf sich selber aufpassen.«
    Emilia blickte hoch. Im ersten Augenblick erkannte sie die Frau nicht wieder. Ihre Haare waren dunkel und streng zurückgekämmt wie bei der letzten Begegnung, aber das schwarze Kleid war unter einer einst weißen, nun beschmutzten Schürze verborgen.
    »Ihr Name ist Emilia, nicht wahr?«, fuhr die andere fort.
    Nur mühsam konnte sie die Stimme einordnen – diese leise, fast samtige Stimme, hinter der sich doch ein scharfer Tonfall verbarg.
    Emilia stand langsam auf. »Was machen Sie hier?«
    »Das Gleiche wie Sie. Ich helfe«, erklärte Nora Hoffmann, Arthurs Frau.
    Sie wirkte erschöpft wie Emilia, aber ebenso bestrebt, es sich nicht anmerken zu lassen.
    »Ich habe Sie in den letzten Wochen beobachtet, wie Sie sich um die Kranken kümmern«, fuhr Nora fort. »Sie scheinen zwar nicht viel von Medizin zu verstehen, aber Sie lernen rasch. Es ist … es ist bewundernswert, was Sie tun.«
    Emilia straffte den Rücken. »Obwohl ich in Ihren Augen doch eine Hure bin?« Sie konnte nicht verhindern zu zischen.
    Nora senkte erstmals ihre dunklen Augen. »Ich dachte damals am Hafen wirklich, Sie seien eines der leichten Mädchen, mit denen sich Arthur zu vergnügen pflegte. Aber das war wohl ein Irrtum. Wer immer Sie auch sind und woher Sie kommen – Sie sind eine, die nicht scheut zuzupacken und die hinterher keine großen Worte macht. Das gefällt mir.«
    Sie zögerte kurz. »Es tut mir leid«, fügte sie leise hinzu. »Es tut mir leid, was ich damals am Hafen zu Ihnen gesagt habe. Ich wollte Arthur treffen … nicht Sie.«
    Sie hob ihren Blick wieder, der Blick der dunklen Augen schien unendlich tief … und irgendwie traurig.
    »Aber warum«, fragte Emilia heiser, »warum wollten Sie ihn kränken? Warum hassen Sie ihn?«
    Der Blick verhärtete sich, doch das tat der Ehrlichkeit dieser Frau keinen Abbruch. In einer anderen Situation, da sie nicht von Sterbenden umgeben gewesen wären und seit vielen Tagen gegen den Tod kämpften, hätte sie sich vielleicht in Ausflüchten ergangen, aber im Lichte dieser großen Wahrheit, dass der Mensch sterblich ist und der Tod so quälend und grausam sein kann, erschien ihr wohl jede Lüge als lächerlich und fehl am Platz.
    »Ich kann doch sonst niemanden hassen«, murmelte Nora. »Ich liebe meinen Vater, ich mag Gustav Hoffmann – deswegen kann ich nicht auf sie wütend sein, weil sie uns in diese Ehe getrieben haben. Also bleibt nur Arthur – auch wenn es nicht seine Schuld ist.«
    Sie senkte ihre Augen wieder, wartete Emilias Entgegnung nicht ab, sondern drehte sich um und ging einfach weiter.

    Emilia folgte ihr aus der Ferne. Nora schien sich im Krankenhaus nicht nur gut zurechtzufinden – außerdem richtete sich mancher Blick einer Krankenschwester ehrfurchtsvoll auf sie. Vielleicht lag das an Noras Haltung – sie ging sehr aufrecht, sehr starr, fast königlich. Ohne Zweifel war sie eine Frau, in deren Gegenwart man die Stimme nicht unnötig erhebt oder zu laute Schritte macht.
    Emilia war sich rasch sicher – sie musste mehr sein als die Angehörige eines Patienten, die zufällig hier aushalf, und dieser Gedanke erfüllte sie mit Erleichterung. Bei ihrem Anblick hatte sie kurz befürchtet, dass Arthur krank sein könnte und Nora ihn betreuen würde, doch nun sah sie, wie sie sich nur um Fremde kümmerte.
    Während Nora sich über einen Kranken beugte, trat Emilia unsicher auf sie zu. Sie fragte sich, ob sie mit ihr reden sollte und falls ja, worüber, doch die Entscheidung wurde ihr ohnehin von einem der Ärzte abgenommen, der in den Saal getreten war, sich nun achtlos an Emilia vorbeidrängte und auf Nora zuschritt.
    Emilia kannte sein Gesicht und glaubte auch, einmal seinen Namen gehört zu haben: Dr. Franz Hufnagel. Er wirkte müde und ausgelaugt wie das restliche Personal, aber darüber hinaus sehr verärgert.
    »Was tun Sie da?«, fuhr er Nora unwirsch an.
    Sie blickte ihn kaum an.
    »Ich sterilisiere die Nadel«, gab sie kühl zurück. »Eine Kochsalzinfusion ist oft die letzte Rettung für die Kranken, aber häufig richten sie mehr Schaden als Nutzen an, weil die meisten Nadeln nicht ordnungsgemäß sterilisiert werden – und die Patienten darum Blutvergiftungen erleiden.«
    »Unsinn!«, bellte der Arzt, »Sie wollen mir doch nicht allen Ernstes sagen, dass Sie auch an dieses Märchen glauben! Die vielen Blutvergiftungen sind Folge der Krankheit, nicht von

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