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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Rücken durchgestreckt und ihren Kopf erhoben. Der Blick, ansonsten oft unsicher flackernd, war starr auf den Richter gerichtet.
    »Ich möchte ein Geständnis ablegen«, wiederholte sie.
    Raunen erhob sich, die Zuschauer stießen sich aufgeregt an. Einige wirkten aufgebracht, andere enttäuscht, wieder andere sensationslüstern. Rita nahm es kaum wahr, sie suchte Agustinas Blick und schüttelte verzweifelt den Kopf, doch diese beachtete sie gar nicht, sondern starrte weiterhin den Richter an.
    Für einen Moment wirkte dieser mürrisch, hatte er doch wohl eben noch gehofft, den Fall schnell abschließen zu können. Aber als Agustina insistierte, forderte er sie zu sprechen auf.
    Sie stand nun unmittelbar vor ihm und bekannte mit einer festen Stimme, mit der Rita sie noch nie hatte sprechen hören: »Es war nicht Rita, die meinen Sohn getötet hat. Ich selbst habe es vielmehr getan – ich war bis jetzt nur zu feige, es zuzugeben. Mein Sohn hat mich jahrelang gequält, geschlagen und ausgebeutet. Und nun habe ich die Möglichkeit bekommen, mich dafür zu rächen. Ja, ich war’s. Ich, Agustina Ayarza, habe meinen Sohn Esteban erschossen.«
    Wieder erhob sich ein Raunen, noch lauter als vorhin. Jerónimo übertönte es mühelos. Kein kalter Glanz lag mehr in den graublauen Augen, sondern nur Zorn, als er aufsprang, nach vorne stürzte und schrie: »Sie lügt! Wie sie lügt!«
    Der Blick des Richters wanderte zu ihm. Er wirkte nachdenklich. »Welche Mutter dieser Welt würde freiwillig zugeben, dass sie ihren eigenen Sohn erschossen hat, wenn es nicht der Wahrheit entspräche?«
    »Aber ich habe doch gesehen …«
    Der Richter erhob seine Hand, um Jerónimo zum Schweigen zu bringen. »Wenn ich es recht im Kopf habe, haben Sie vorhin behauptet, Sie wären zu spät gekommen. Sie hätten zwar den Schuss gehört, aber als Sie den Schauplatz des Verbrechens erreichten, wäre Senyor Ayarza bereits tot auf den Boden gesunken. Und die Pistole lag daneben.«
    »Es musste auf den ersten Blick so ausgesehen haben, dass Rita geschossen hat«, schaltete sich Agustina ein, und erstmals zitterte ihre Stimme, »doch nicht Rita, sondern ich habe die Pistole fallen lassen. Nicht sie ist die Mörderin, ich bin es! Ich habe Esteban getötet!«
    Der Richter runzelte die Stirn. »Und warum hat die Angeklagte das nicht gesagt?«, fragte er. »Warum hat sie die Tat nicht abgestritten?«
    »Weil sie eine Lügnerin ist!«, tobte Jerónimo. »Weil sie eine verdammte …«
    »Schluss jetzt!«, schrie der Richter und drohte ihm Gleiches an wie vorhin Balthasar: dass er ihn gewaltsam würde aus dem Gerichtssaal entfernen lassen, wenn er sich nicht ausreichend beherrschte.
    »Rita hat die Wahrheit verschwiegen, weil sie mich schützen wollte«, erklärte Agustina fest. »Sie ist ein guter Mensch, die beste aller Frauen. Sie hat mich aufgenommen, nachdem mein Sohn mich wieder einmal fast totgeschlagen hat. Glauben Sie kein Wort, was dieser Jerónimo Callisto über ihn erzählt hat – Esteban war ein schändlicher Nichtsnutz. Wer sollte das besser wissen, wenn nicht ich, seine eigene Mutter.«
    »Du bösartige, alte Vettel!«, brüllte Jerónimo. »Du …«
    Seine Stimme riss ab. Er hatte kaum das erste Wort geschrien, als schon zwei Gerichtsdiener bei ihm standen und ihn nun hinauszerrten. Stille senkte sich über den Gerichtssaal, nur aus der Ferne waren seine Flüche zu hören.
    »Wenn es jemand verdient hat, zu sterben, dann ich«, sagte Agustina. »Nicht zuletzt meinetwegen und weil ich mir viel zu viel von ihm habe gefallen lassen, ist Esteban zu dem geworden, was er war. Rita aber muss freikommen.«
    Der Richter wandte sich an Rita. »Können Sie das bestätigen? Hat Agustina Ayarza auf ihren Sohn geschossen und nicht Sie?«
    Rita war aufgesprungen, Schwindel stieg in ihr hoch, sie hatte das Gefühl, als würden die Wände um sie wanken. Das Leben, das sie schon aufgegeben hatte, schien wieder zurück in ihren Leib zu strömen, schmerzhaft schnell, mit allen Hoffnungen und Ängsten und Erinnerungen und Plänen.
    Nicht länger starrte Agustina an ihr vorbei, erstmals trafen sich ihre Blicke. Der von Agustina war eindringlich auf sie gerichtet, und Rita war es, als könnte sie jedes einzelne Wort hören, mit dem die alte Frau sie innerlich beschwor.
    Bitte, schien Agustina zu flehen, ich bin eine alte Frau, und ich trage eine Mitschuld an allem. Aber du, Rita, du bist jung, du musst leben und lieben!
    »Also«, drängte der Richter

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