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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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unschuldiges Kind zu töten.«
    Sie ließ Ritas Hände abrupt los und wandte sich wieder ab. »Und nun geht!«, sagte sie. »Und … und erzählt Aurelia später von mir. Verschweigt ihr den Vater – aber nicht, wer ihre Großmutter war und dass diese sie liebte.«
    Sie starrte wieder in den farblosen Himmel, und Ana zog Rita schnell mit sich, ehe diese wieder in Tränen ausbrach.

    Spärliche Sonnenstrahlen kämpften sich durch diesige Luft, als sie das Gefängnis verließen. Rita hob ihr Gesicht, und trotz allem, was hinter ihr lag, genoss sie nach so vielen Wochen in der Kälte diese Wohltat.
    Als sie den Kopf wieder senkte und die Augen aufschlug, musste sie unwillkürlich lächeln. Sie wusste, dass sie noch oft und lange um Agustina weinen würde, aber nun freute sie sich, dass nicht nur Balthasar vor dem Gefängnis wartete, sondern auch Maril. Sie konnte sich nicht daran erinnern, ob er auch bei ihrem Prozess dabei gewesen war – in jedem Fall ließ er es sich nicht nehmen, sie nun zur Estancia zurückzubringen. Um in der Stadt nicht weiter aufzufallen, trug er eine ungewöhnliche Tracht – nämlich Hosen und ein Hemd –, und seine schwarzen Haare waren zu einem Schwanz gebunden. Bei jeder Bewegung runzelte er die Stirn – das einzige Zeichen, wie unwohl er sich fühlte. Ansonsten wirkte er stolz und gefasst wie immer.
    Und Balthasar! Ihr geliebter Balthasar erst! In den letzten Tagen waren sie sich oft in den Armen gelegen, doch es war ein ebenso flüchtiges wie trügerisches Glück gewesen, das sie gar nicht richtig zu empfinden gewagt hatte. Nun glaubte sie erstmals daran, dass es kein Traum war, aus dem bald böses Erwachen folgte. Ja, er war hier, sie würden gemeinsam zur Estancia zurückkehren, sie würden heiraten, sie hatten eine Zukunft vor sich.
    Genauso wie er breitete sie die Arme weit aus, doch bevor sie ihn erreicht hatte und ihn umarmen konnte, erstarrte sie, und ihr Lächeln schwand. Ana, die hinter ihr das Gefängnis verlassen hatte, lief fast in sie hinein, doch dann erkannte sie, was Rita hatte innehalten lassen, und stieß einen ihrer russischen Flüche aus.
    Balthasar und Maril folgten Ritas Blick. Marils Hand fuhr unwillkürlich zu seinem Kopf, in dessen Stirnband normalerweise Pfeile steckten. Dass er heute unbewaffnet war, ließ ihn die Hand gleich wieder sinken, hielt ihn aber genauso wenig wie Balthasar davon ab, drohend auf den Mann zuzustürzen, der gleichfalls vor dem Gefängnis gewartet hatte.
    Jerónimo Callisto.
    »Nicht!«
    Rita löste sich aus der Starre, lief mit knirschenden Schritten durch den Schnee und stellte sich Balthasar und Maril in den Weg, noch ehe sie Jerónimo erreicht hatten. »Legt euch nicht mit ihm an! Das hat keinen Sinn!«
    »Aber …«
    Rita drückte ihre Hände energisch gegen Balthasars Brust.
    »Ich werde mit ihm sprechen«, erklärte sie. »Ich allein.«
    »Bist du verrückt geworden?«
    »Er wird mir nichts tun. Nicht hier.«
    In Balthasars Gesicht standen Grimm und Zweifel, doch in ihrem Blick lag eine besondere Macht, die ihn dazu brachte, zurückzuweichen und ihr den Weg freizugeben. Rita zweifelte nicht daran, dass er bei einer falschen Bewegung Jerónimos sofort einschreiten würde, und auch Maril ließ ihn nicht aus den Augen, sondern funkelte ihn wütend an, aber beide ließen sie gewähren.
    Die kalte Luft brannte in Ritas Kehle, als sie langsam auf Jerónimo zutrat. Er stand gegen einen Baum gelehnt, so angelegentlich, als hätte ihn nur der Zufall hierhergetrieben. Als sie näher kam, verzerrte ein falsches Lächeln seine Lippen; sein Blick war kalt wie eh und je.
    Rita unterdrückte ein Schaudern.
    Wie habe ich diesen Mann jemals schön finden und lieben können?, fragte sie sich.
    Sie hatte so oft damit gehadert, was für ein leichtgläubiges, verführbares Mädchen sie einst gewesen war, doch nie erschien ihr die damalige Schwärmerei so unsinnig wie in diesem Moment.
    Jerónimo deutete mit dem Kinn auf Balthasar.
    »Was ist?«, höhnte er. »Erträgst du den Anblick dieses narbigen, humpelnden Kretins nicht mehr, weil du ihn stehen lässt? Hast du stattdessen Lust auf ein Schäferstündchen mit mir?«
    Als seine Stimme ertönte, erstarrte Rita kurz, aber dann trat sie mit aufrechtem Rücken noch näher an ihn heran. Agustina hatte den Mut bewiesen, ihre Schuld auf sich zu nehmen und für sie zu sterben. Also würde sie den Mut finden, sich Jerónimo zu stellen.
    »Wenn sich unsere Wege kein weiteres Mal kreuzen, ist es gut«,

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