Jenseits von Feuerland: Roman
Hemden und Hosen brauchte – als Überraschung für ihre künftigen Schwäger anlässlich ihrer Hochzeit. Anders als Rita entging den Braunauern der schmerzliche Ausdruck, der ihr Gesicht verzerrte; er währte ohnehin nicht lange, dann hatte sie sich wieder völlig unter Kontrolle.
Warum sie nicht nur Männerkleidung, sondern überdies auch Pferde kaufen wollte, erklärte sie den Menschen hier nicht. Der Mann, der ihr schließlich zwei Gäule anbot, fragte nicht nach, und Emilia zahlte bereitwillig dafür, ohne zu prüfen, ob die Tiere etwas taugten.
Danach verstaute sie den Geldbeutel – Rita wusste nicht, wie viel wohl übrig geblieben war –, schwang sich auf das eine Pferd und ritt los, ohne sich umzudrehen. Rasch tat Rita es ihr gleich. Sie konnte von klein auf reiten, nur der Sattel war ungewohnt.
Emilia lenkte ihr Pferd vom See weg und tief in den Wald hinein. Erst als weit und breit keine Menschenseele und auch keine Rauchsäule von Häusern zu sehen war, hielt sie an und sprang auf den sumpfigen Boden.
»Hier«, erklärte sie knapp und warf das Bündel mit der Männerkleidung vor ihre Füße, nachdem auch Rita vom Pferd gestiegen war. Rita schüttelte verwirrt den Kopf. Emilia würde doch unmöglich von ihr verlangen, Hosen zu tragen! Allein die Vorstellung, das zu tun, war völlig widersinnig! In den letzten Wochen war es ihr schwergefallen, nicht mehr bloßfüßig, sondern in Schuhen herumzulaufen, aber dieses Ansinnen ging zu weit.
Sie öffnete den Mund und protestierte, doch als sich Emilias kalte Augen in sie bohrten, verstummte sie.
»Ich habe nicht von dir verlangt, dass du mich begleitest«, erklärte Emilia hart, »du hast es freiwillig getan.«
Rita deutete zwar widerwillig, aber zugleich auch schüchtern auf das Bündel mit der Männerkleidung. »Hältst du das wirklich für nötig?«, fragte sie erbebend.
»Wir werden lange unterwegs sein«, gab Emilia knapp zurück. »Das ist für zwei Frauen gefährlich. So ist es … sicherer.«
Zögerlich holte Rita die Hosen aus dem Bündel und befühlte argwöhnisch den rauhen Stoff. Gewiss kratzte er auf der Haut! Doch noch unerträglicher, als diesen Stoff am Leib zu spüren, war ihr die Vorstellung, Emilias Wunsch auszuschlagen. Und, genau genommen, hatte diese recht. Es war für Frauen gefährlich, allein zu reisen.
»Also gut«, stimmte sie zu und versuchte, fröhlicher zu klingen, als ihr zumute war.
Langsam, ganz langsam legte sie ihre Kleidung ab, während Emilia an ihrer Bluse riss, als wollte sie diese zerfetzen. Einmal mehr machte Rita die Kälte Angst, die sie verströmte. Wenn sie wenigstens weinen würde, ging ihr durch den Sinn.
Allerdings – sie selbst verbot sich auch zu weinen, wusste sie doch ganz genau, dass sie es nicht überleben würde. Manchmal war es unmöglich, zurückzublicken und zu trauern. Manchmal konnte man nicht länger sein, was man war. Sie war keine Mapuche mehr, sondern Spanierin … nein, mit diesen Hosen vielmehr ein Spanier. Und Emilia …
Es war nicht recht klar, wer die neue Emilia war, was alles in ihr steckte – außer dieser kalten Entschlossenheit – und was genau sie wollte.
Erst als sie wieder auf den Pferden saßen, war sie zu mehr Erklärungen bereit. »Ich muss mein Spanisch verbessern«, verkündete sie. »Ab heute sprechen wir kein Deutsch mehr. Du … du kannst doch Spanisch, nicht wahr?«
Rita nickte. »Aber wohin wollen wir überhaupt?«, fragte sie vorsichtig.
»Zu einem Hafen«, erwiderte Emilia knapp.
»Und dann?«
Emilia hatte dem Pferd zunächst die Sporen gegeben, nun drosselte sie das Tempo. Sie warf Rita einen kurzen Blick zu, und zum ersten Mal hatte diese das Gefühl, sie würde sie wahrnehmen. »Überleg dir noch einmal gut, ob du tatsächlich mit mir gehen willst«, sagte sie leise. »Hier ist deine Heimat. Noch könntest du mühelos zu unserer Siedlung zurückkehren.«
Rita schüttelte den Kopf. »Das hier ist ein sicherer Ort, aber meine Heimat ist das nicht«, erwiderte sie schnell. »Ich bleibe bei dir.« Sie antwortete, ohne darüber nachzudenken, und wunderte sich selbst, woher sie diese Entschiedenheit nahm. Vielleicht, weil Emilia das erste Gesicht war, das nach dem Grauen in ihrem Leben aufgetaucht war. Und weil ihr die Vorstellung, ohne Emilia zu leben, noch größere Angst machte, als mit dieser Art von Emilia zu leben.
»Und wenn wir einen Hafen erreichen – wohin wollen wir dann?«, fragte sie.
Emilia blickte sie nicht länger an, sondern
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