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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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die Männer sozusagen freizukaufen. Ich habe von Bauern gehört, die dieses Geld nicht hatten und sich monatelang vor den Soldaten versteckt haben, um nicht mitgenommen zu werden. Und wieder andere haben darum gewürfelt, wer zu Hause bleiben darf und wer mit ihnen gehen muss.«
    Ritas Herzschlag beruhigte sich ein wenig. »Du hast gewiss Angst gehabt, dass sie Manuel holen!«, stieß sie aus und biss sich gleich darauf auf die Lippen. Eigentlich wollte sie den Namen von Emilias Verlobten nicht mehr aussprechen, um nicht an ihrem Schmerz zu rühren.
    Doch für einen Augenblick lang schien Emilia nicht an ihn zu denken. »Ach was!«, stieß sie aus. »Manuel hat im Krieg wieder einmal ein Geschäft gewittert. Ein gewisser Carlos Klein in Rancagua, der eine eigene Textil- und Schuhfabrik hat, beliefert die Armee mit Uniformen und Stiefeln. Manuel hat gehofft, dass …«
    Mitten im Satz hielt sie inne und senkte hastig den Blick. Fragend blickte Rita sie an, wollte sie zum Weiterreden drängen, aber dann begriff sie, was Emilia verstummen hatte lassen, und prompt blieben ihr auch die eigenen Worte im Hals stecken.
    »Gütiger Gott!«, stammelte Emilia, während Rita erschauderte.
    So eindringlich hatten sie in die Richtung von einer der Truppen gestarrt, dass die Soldaten auf sie aufmerksam geworden waren, nun mit fuchtelnden Bewegungen auf sie deuteten und sich gegenseitig anstießen. Rita glaubte unter den forschen Blicken zu vergehen. Stöhnend griff sie nach Emilias Hand und klammerte sich daran fest.
    »Keine Angst«, tröstete Emilia, doch Rita entging das Zittern in ihrer Stimme nicht. »Keine Angst, sie werden uns nichts tun, wir sind doch …«
    Erneut blieben ihr die Worte im Hals stecken, und Rita ahnte, was sie hatte sagen wollen, dass sie nämlich bloß Frauen wären. Aber genau das waren sie eben nicht! Sie trugen Männerkleider – und das war auch der Truppe Soldaten nicht entgangen. Zwei der Uniformierten kamen plötzlich auf sie zugelaufen.
    »Da!«, schrie einer der beiden. »Da sind sie! Ich habe gesehen, wie die beiden vor uns davongelaufen sind.«
    Rita hörte Emilia erschrocken aufschreien. Sie selbst glaubte zu ersticken. In ihren Ohren begann es wieder zu rauschen, das Bild vor ihren Augen zu flimmern. Sie fühlte sich in einem ihrer dunklen Träume gefangen, von Soldaten mit bösen Gesichtern eingekreist, die spöttisch über sie lachten, nach ihr griffen … nur, dass es diesmal kein Traum war. Sie würde nicht schreiend erwachen und sich sicher in einem weichen Bett wiederfinden. Sie war mit Emilia in der Fremde – allein, schutzlos und als Männer verkleidet.
    »Ja, ich hab’s auch gesehen, wie sie vor uns davongerannt sind!«, schrie der andere Soldat. »Sie wollten gewiss fliehen!«
    Schlimm genug, dass sich immer mehr Blicke in sie bohrten, sich weitere Soldaten erhoben, um den beiden anderen zu Hilfe zu kommen, und einen Kreis um sie zogen, lose erst, dann zunehmend enger – obendrein musste Rita begreifen, dass sie an ihrer Lage selbst schuld war. Nur weil sie so panisch davongelaufen war, hatten sie die Aufmerksamkeit der Soldaten auf sich gezogen. Sie packte Emilias Hand noch fester; kalt wie Stein fühlte sich diese an.
    »Wer will denn hier fliehen?«, fragte da einer der Soldaten spöttisch und trat ganz dicht an sie heran. Rita konnte seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht fühlen – er roch noch fauliger als das Meer. Verzweifelt schloss sie die Augen, aber nichts zu sehen und nicht zu wissen, was er tun würde, war noch schlimmer, als in sein Gesicht zu starren – und in das der anderen, die nun einen engen Kreis um sie gezogen hatten.
    »Ihr jagt die falschen«, stellte einer von ihnen fest. »Das sind sie nicht. Schau dir doch diesen Mann an, er ist viel zu klein. Die beiden Deserteure waren größer.«
    Nachlässig streckte er die Hand aus und stupste Rita an. Obwohl die Berührung nur leicht war, hatte sie das Gefühl, einen Schlag zu erhalten, und schrie auf.
    »Und er quiekt auch noch wie ein Schwein!«, spottete der Soldat.
    »Lassen Sie uns in Ruhe!«, rief Emilia energisch. Rita konnte es nicht fassen, dass ihre Gefährtin ihre Furcht nicht zeigte und ihre Stimme nicht mehr zitterte. Was Emilia jedoch nicht bedacht zu haben schien, war, dass der Akzent ihres Spanischs ungewollt ihre Herkunft verriet.
    »O deutsche Bauern«, stellte der Soldat fest, der als Erstes näher gekommen war, »im Zweifelsfall können wir die auch nehmen. Die sind zäh und

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