Jenseits von Feuerland: Roman
wirken ließ.
Wie eine Nonne sieht sie aus, befand er, als er ihr zum ersten Mal gegenübergestanden war, und dieses Urteil hatte sich seitdem nicht geändert. Und nicht nur ihr Aussehen glich einer Nonne – sie schien ebenso rechtschaffen und keusch wie eine solche! Sie blickte ihn ohne Scheu mit ausdruckslosem Blick an, und wenn hinter dieser glatten Stirn noch etwas anderes rumorte als Pflichtbewusstsein, dann war es – er glaube es förmlich zu fühlen – Verachtung für ihn.
Dabei hatte er sich bei ihrem ersten Treffen sogar Mühe gegeben! Er hatte sie angelächelt und mit ihr zu reden versucht, aber ihre knappen Antworten hatten ihn so befremdet, dass er sich lieber an Clarissa wandte und deren Stimme ertrug. Er überlegte sich insgeheim, wie er diese verführen könnte – bei Nora hingegen verdrängte er jede Vorstellung von Intimität.
Grauenhaft müsste es sein, mit ihr in einem Bett zu liegen!
Wie sollte er sie nur heiraten und sein ganzes Leben mit ihr verbringen? Nein, das konnte er unmöglich tun – und nie war ihm das so klar gewesen wie heute, da sie sich zum dritten Mal nach der gemeinsamen Teestunde verabschiedeten. Auch nachdem sich alle erhoben hatten, blieb Arthurs Blick starr auf die Tafel gerichtet.
Frau Christa hatte gemeint, zu dem besonderen Anlass das Mobiliar im Salon umstellen zu müssen, damit die Seidentapete aus Lyon besser zur Geltung kam. Rund um den Kaffeetisch hatte sie mehrere Guéridons – kleine Tischchen mit Lämpchen – drapiert, und sowohl Eleonore als auch Clarissa hatten deutliche Mühe, ihre wuchtigen Leiber nun daran vorbeizuzwängen. Der hechelnde Mops wickelte seine Leine um eines der Tischbeine, was beinahe zu zwei Katastrophen geführte hätte: Um ein Haar wäre der Tisch mitsamt Lampe umgefallen und hätte den Mops erdrosselt. Wobei Letzteres in Arthurs Augen keine Katastrophe gewesen wäre und Ersteres eigentlich auch nicht. Noch nie war er so durstig auf Schnaps gewesen.
Er merkte gar nicht, dass Nora zu ihm trat, und sein Onkel musste ihn anstoßen, damit er geistesabwesend ihre Hand hob und die Andeutung eines Kusses darauf hauchte. Auch der werten Frau Mama küsste er die Hand, woraufhin die Töle, die auf den Namen Theodor hörte, ihn anbellte. Wahrscheinlich hatte der Köter übel Lust, nicht nur zu bellen, sondern auch zuzubeißen, und als er auf das kläffende Tier stierte, überkam ihn das Gefühl, dass auch Nora ihn irgendwann anfallen und beißen würde, wenn auch nicht heute, so spätestens nach der Hochzeit.
Nein, er konnte unmöglich sein ganzes Leben mit ihr teilen!
Genau betrachtet, war er noch nie einer Frau begegnet, mit der er sein Leben teilen wollte, aber mit Nora schon gar nicht.
Nachdem die Gäste den Salon verlassen und die Dienstmädchen den Teetisch abgeräumt hatten – er hatte sogar vergessen, mit ihnen zu kokettieren –, ging er unruhig auf und ab.
Seine Miene war mürrisch, die des Onkels dagegen strahlend. »Es ist hervorragend gelaufen!«, verkündete er, als er auf ihn zutrat.
Arthur hatte zunächst keine Ahnung, was er meinte, und brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass Onkel Gustav heute mit August van Sweeten die Mitgift ausgehandelt hatte.
»Vierzigtausend Reichstaler«, berichtete er nun stolz. »Das entschädigt uns dafür, dass wir die Mehrheit der Apotheke verlieren.«
Arthur fühlte sich wie eine Kuh, die gewinnbringend auf dem Markt verkauft werden sollte.
»Die Stimme von Clarissa ist unerträglich«, stieß er missmutig aus. Bis jetzt hatte er nur mit Balthasar, der sich mittlerweile zurückgezogen hatte und wohl wieder zeichnete, offen über die van Sweetens gesprochen.
»Die musst du ja auch nicht heiraten«, meinte der Onkel aufmunternd. »Und Noras Stimme ist gut auszuhalten!«
»Weil sie erst gar nichts sagt! Weil sie steif wie ein Stock ist, wie der Herr Papa! Ich kann sie nicht heiraten.«
Die Nachsicht schwand aus Onkel Gustavs Miene. »Natürlich kannst du sie heiraten. Du willst es nur nicht. Das ist ein Unterschied.«
»Ich will mich nicht binden!«, rief Arthur energisch. »Ich will die Welt entdecken!«
»So?«, hielt der Onkel skeptisch dagegen. »Deine Welt bestand bislang aus finsteren Spelunken. Willst du so dein Leben verbringen? Ständig betrunken? Indem du ehrbare Frauen verführst? Und stets die Nacht zum Tag machst?«
Noch nie hatte Gustav diesen Lebensstil so offen angesprochen und kritisiert.
»Das habe ich nicht behauptet«, murrte Arthur und begann wieder,
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