Jenseits von Feuerland: Roman
erreichen.«
»Konnte ich wissen, dass …«
»Ich will dir kein schlechtes Gewissen machen«, unterbrach Onkel Gustav ihn rasch. »Aber du hast gefragt, wann er gestorben ist, und ich habe darauf geantwortet.«
Arthur überlegte, was er nun tun sollte. Ob er vorgeben könnte, jetzt allein sein zu wollen, um dann einfach zu gehen und sich auszuschlafen?
»Du weißt gar nicht, was du deinem Vater alles zu verdanken hast«, erklärte Gustav unvermittelt.
Natürlich!, dachte Arthur verdrießlich. Natürlich muss diese alte Leier wieder kommen!
Obwohl er nichts sagte, schien der Onkel zu ahnen, was in seinem Kopf vorging, denn ungewohnt streng fuhr er ihn an: »Nein, du weißt es nicht. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich längst andere Saiten aufgezogen. Ich hätte dir die Wahrheit nicht so lange verschwiegen.«
Arthur fühlte, wie nagende Kopfschmerzen von seinem Nacken über den Hinterkopf bis zur Stirn krochen. Außerdem war ihm schwindlig. »Die Wahrheit?«, fragte er mäßig interessiert, um gleich darauf zu flehen: »Onkel Gustav, wenn du so viel Wert darauf legst, verspreche ich es dir hier und jetzt: Ich werde etwas mehr in der Apotheke arbeiten und etwas weniger trinken.«
Noch während er es aussprach, überlegte er, wie er sich diesem Versprechen wieder entziehen konnte, doch der Onkel ging ohnehin nicht darauf ein.
»Ich fürchte, das reicht nicht«, erklärte er düster. »Unser Unternehmen steht kurz vor dem Bankrott.«
Die Worte verklangen, ohne dass Arthur sie begriff. Onkel Gustav hätte sie in einer fremden Sprache sagen können und sie hätten ihm nicht weniger eingeleuchtet. Was hieß bankrott? Sie lebten doch in diesem großen Haus mit all den Dienstboten, und die Apotheke …
Nun, er wusste nicht viel über die Apotheke, außer dass sich sein Vater und sein Onkel immer vor Veränderungen gescheut hatten. Er hatte es schon seit Ewigkeiten vor sich hergeschoben, einmal in die Geschäftsbücher zu sehen.
Seine Kopfschmerzen wurden stärker.
»Ba… ba… bankrott?«, stotterte er. »Davon höre ich zum ersten Mal.«
»Weil du dich nicht dafür interessiert hast! Weil dein Vater es dir gönnen wollte, unbeschwert deine Jugend zu verbringen, wie er sich ausdrückte! Ich war nie dieser Meinung. Du warst der Erste in unserer Familie, der studieren durfte – und bis jetzt hast du dich nicht dafür erkenntlich gezeigt.«
Wie immer, wenn die Stimme des Onkels diesen nörgelnden Tonfall annahm, erwachte in Arthur Trotz. »Ich habe nicht darum gebeten. Mir hätte es durchaus gereicht, so wie ihr nur einzelne Vorlesungen an den Pharmazieschulen zu besuchen.«
»Ach«, kam es ungewohnt bissig, »und dass die Damen dich schwärmerisch Herr Doktor nennen – hast du darum etwa auch nicht gebeten? Arthur, du lebst in den Tag hinein, übernimmst keine Verantwortung, wartest, was das Leben dir bringt, und packst es nicht an.«
»Was willst du eigentlich? Ich habe doch schon gesagt, dass ich künftig eben mehr arbeiten werde. Ich werde …«
Onkel Gustav schüttelte vehement den Kopf. »Das wird nicht genügen. Ich habe es deinem Vater erspart, aber dir erspare ich es nicht. Um unser Unternehmen zu retten, müssen wir einen weiteren Gesellschafter aufnehmen. Und ich habe bereits einen gefunden.«
Arthur blickte zu Boden, um seine Erleichterung zu verbergen. Also hatte ihm der Onkel nur tüchtig Angst einjagen wollen und in Wahrheit schon eine Lösung ausgeheckt. Ein weiterer Gesellschafter, warum nicht, ihm war alles recht, wenn das Unternehmen nur florierte und er dafür nichts tun musste … Er sah, wie sich zu seinen Füßen eine Pfütze bildete. Als er wieder hochblickte, bemerkte er, dass sein Onkel angewidert darauf starrte.
»Dann kommt doch alles in Ordnung«, sagte Arthur leise.
»Das kommt es nur, wenn du deinen Beitrag leistest. Der Gesellschafter, von dem ich spreche, ist Doktor van Sweeten. Er ist nicht nur sehr wohlhabend, sondern auch sehr innovativ, und er steigt nur ein, wenn er die Mehrheit der Apotheke erhält.«
Meinetwegen, wollte Arthur sagen, wenn es weiter nichts war …
Doch da fuhr der Onkel fort: »Doktor van Sweeten hat keinen Sohn, nur zwei Töchter. Die eine, Clarissa, ist bereits verheiratet, die andere, Nora, hingegen ist noch ledig. Es gäbe also eine Möglichkeit, damit das Unternehmen doch in der Familie bleibt.«
Er machte eine vielsagende Pause.
Arthur begriff nicht, warum der Onkel ausgerechnet von den Töchtern des Doktors sprach.
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