Jenseits von Feuerland: Roman
lief schnell zurück in die Küche, wo sie weiter schnitt, wendete, rührte, stampfte, würzte und briet.
Am Anfang hatte Rita noch tatkräftig geholfen – weniger vom Arbeitseifer getrieben als von der Furcht, doch noch im Bordell zu landen. Die saß ihr lange in den Knochen, nachdem sie von Esteban aus Agustinas Herberge vertrieben worden waren und Emilia entschieden hatte, zu Ernesta Villan zu gehen. Dass Emilia dort nicht als Hure arbeiten wollte, hatte Rita kaum beschwichtigt – zumal Ernesta, als sie die Mädchen in jener Nacht aus kalten Augen gemustert hatte, offenbar genau das erwartet hatte.
»Eine dunkle und eine blonde – das ist eine gute Mischung«, hatte sie festgestellt. »Es würde Männer geben, die hätten euch gerne beide zusammen. Was doppelt so viel Geld einbringen würde.«
Rita hatte geweint, aber Emilia stolz erklärt: »Ich kann alles: nähen, kochen, putzen, aber ich bin keines deiner käuflichen Mädchen.«
»Und was willst du dann hier?«
»Ich weiß, dass du Kredite vergibst. Und einen solchen brauche ich. Ich habe aus Agustinas Ayarzas Rattenloch binnen weniger Wochen eine beliebte Herberge gemacht, deren Gaststube immer voll ist. Gib mir Geld, damit ich ein eigenes Haus kaufen kann – und bald wird man es nicht nur in Punta Arenas kennen, sondern in der ganzen Umgebung.«
Ernestas graue Augen waren kalt und stechend geblieben, aber am Ende hatte sie schmallippig gelächelt. Emilia hatte geglaubt, sie müsste am durchdringenden Parfümgeruch ersticken. Aus der Nähe hatte sie gesehen, wie unglaublich grotesk Ernesta geschminkt war: Sie hatte keine Augenbrauen mehr, sondern mit Kohlestift zwei dicke Linien gezogen; Puder und Rouge hatten sich in den Falten gesammelt, und die Augenlider waren mit irgendetwas Blauem angestrichen.
Doch am Ende hatte nicht gezählt, wie Ernesta aussah, sondern dass sie geschäftstüchtig und geldgierig genug war, um auf Emilias Vorschlag einzugehen.
Ana stürmte in die Küche: »Die beiden Herren werden nun wirklich ungeduldig! Kannst du ihnen nicht wenigstens ein paar Empanadas backen, bis der Rinderbraten fertig ist?«
Immer noch waren diese das beliebteste Gericht. Emilia füllte sie mit allem Möglichen, mit Hühner- und Schweinefleisch, Schinken oder Speck, Käse, Eiern und Kartoffeln, manchmal sogar mit Fisch. Obwohl sie sie sehr billig verkaufte, hatten ihre Einnahmen schon nach wenigen Wochen alle Erwartungen übertroffen. Viele Gäste, die vorher bei Agustina eingekehrt waren, suchten nun die Casa Emilia auf. Es gab also viele Gründe, sich zu freuen – aber ebenso viele, zu hadern, denn beim Anblick der Einnahmen ging Emilia stets durch den Kopf, dass sie die Hälfte davon an Ernesta abgeben musste. In jener Nacht war sie – wie sie rückblickend befand – viel zu schnell auf deren Bedingungen eingegangen. Derart erleichtert, dass sie ihnen nicht nur einen Kredit gegeben, sondern ihnen auch ein freistehendes Haus, das nicht weit von ihrem Bordell entfernt lag, zur Verfügung gestellt hatte, hatte sie nicht lange gefeilscht, sondern sich das Geschäft von Ernesta diktieren lassen. Erst hinterher bemerkte sie, dass die Abgaben, die sie zu zahlen hatte, viel zu hoch waren – zumal Ernesta doch keinen Finger krummmachen musste. »Was ist jetzt mit den Empanadas?«, fragte Ana.
»Und was ist mit Rita? Warum ist sie nicht hier? Sie sollte hier arbeiten – nicht du!«
»Aber ich helfe doch gerne!«, gab Ana zurück.
Emilia war für Anas Hilfe dankbar, aber zugleich hatte sie immer ein schlechtes Gewissen, weil sie sie für diese Hilfe nicht ausreichend bezahlen konnte. Die blonde Russin gab sich meist nicht minder schroff wie sie selbst, fluchte laut und oft, und ihr Blick auf die Welt war von so viel Spott, Härte und Kälte verschleiert, dass es sogar Emilia manchmal gruselte – aber davon abgesehen gab es keine treuere Seele als Ana. Dass sie sie damals vor Esteban gerettet hatte, rechnete Ana Emilia immer noch hoch an, auch wenn sie nie darüber gesprochen oder gar Dankesworte hervorgebracht hatte. Und dass nicht zuletzt dies ein Grund war, warum sie aus Agustinas Herberge verjagt worden waren, bewog Ana später, regelmäßig zur Casa Emilia zu kommen und dort tagsüber auszuhelfen, während sie des Nachts weiterhin im Bordell arbeitete. Sie erzählte nie, was sie dort durchmachte, nur manchmal verrieten die blauen Ringe unter den Augen ihre Erschöpfung und ihren Widerwillen.
»Wann schläfst du eigentlich?«, hatte
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