Jenseits von Feuerland: Roman
ihrer Erfahrung nach lieber und mehr. Aber in diesem Augenblick war sie darüber nicht minder verärgert wie über Rita, die immer noch nicht hier in der Gaststube war und schmutziges Geschirr abräumte. Wo steckte sie nur? Sie selbst konnte sich schließlich kein zweites Paar Hände wachsen lassen, um all die Arbeit zu erledigen!
»Der Rinderbraten ist auch gleich fertig, wenn Sie ihn dann noch wollen«, erklärte sie knapp.
Der Blick des Blonden glitt höher. Nachdem er erst ausführlich ihre Brüste angestarrt hatte, musterte er ihr Gesicht – und schien von dem Anblick angetan. »Guten Tag, schöne Frau!«, rief er begeistert. »Nicht nur, dass Sie einen so reizenden Anblick bieten – Sie sind auch eine Landsfrau!« Er sprach grinsend, und alsbald saugten sich seine Augen wieder an ihrem Dekolleté fest.
Emilia unterdrückte ein entnervtes Stöhnen. Ohne Zweifel war dieser Mann einer von der gönnerhaften Sorte, die glaubte, sie würde ob des Kompliments nun schamhaft erröten und mindestens drei Nächte von ihm träumen. »Wollen Sie nun Rinderbraten oder nicht?«, herrschte sie ihn an. Ihre schroffen Worte bewirkten nur, dass sich sein Grinsen verstärkte.
»Tja, bis vor kurzem hatte ich eigentlich gar keinen Appetit«, berichtete der blonde Deutsche ungefragt. »Mehrere Monate waren wir unterwegs. Heute haben wir das erste Mal seit langem wieder Land betreten. Was bin ich froh, dass der Boden nicht mehr unter meinen Füßen wackelt und schaukelt! Wobei wir in Punta Arenas nur Zwischenstation machen und es bald weitergeht, nach Val…«
»Ich glaube nicht, dass das die Senyora interessiert, Arthur!«, unterbrach der andere.
Auch er lächelte Emilia an, und ja, er war auch auf den zweiten Blick der hässlichste Mann, den Emilia je gesehen hat, aber seine Augen blickten warm und nicht anzüglich.
»Statt Rinderbraten könnten Sie auch noch mehr Empanadas haben«, murmelte Emilia.
»Wir kosten die Empanadas«, erklärte der Blonde, der offenbar Arthur hieß, »und außerdem brauche ich unbedingt einen Krug Wein. Einen großen Krug, wenn möglich.«
Er zwinkerte ihr vertraulich zu, was sie einfach nur überheblich empfand. Wortlos machte sie kehrt und eilte zurück in die Küche – von einem Stimmenchor begleitet, der wie der Deutsche Wein forderte.
Als sie Wein in einen Krug schüttete, gingen einige Tropfen daneben. »Ach verdammt!«, fluchte sie.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Rita nun doch endlich die Küche verließ, um einige Gäste zu bedienen, aber sich dabei langsam wie eine Traumwandlerin anstellte. Ana wiederum war in der Küche viel zu sehr beschäftigt, um Geschirr abräumen zu können.
Sie sollte jemanden anstellen, überlegte Emilia wie so oft. Am besten jemanden wie Ana. Ach, wenn Ernesta sie ihr nur ganz als Dienstmädchen überlassen würde! Wobei Ana nicht mehr arbeiten konnte, als sie es ohnehin schon tat, und es kaum zu glauben war, was die Russin alles aushielt. Sie selbst hatte sich in den letzten Jahren eigentlich auch als ungemein zäh erwiesen – war mit wenig Schlaf ausgekommen, hatte die viele Arbeit ertragen, war stundenlang auf ihren Beinen, nur heute war es so heiß und schwül und …
Sie wischte sich zum wiederholten Male den Schweiß von der Stirn und eilte mit dem Weinkrug zum Tisch der Deutschen.
»Die schöne Frau ist zurück!«, erwartete der blonde Arthur sie mit diesem anbiedernden Lächeln.
Dieser Idiot dachte tatsächlich, er könnte sie mit seinem kecken Augenaufschlag freundlich stimmen!
Sie beugte sich vor, wollte den Krug Wein auf den Tisch knallen und zurück zur Küche hasten, doch in diesem Augenblick umfasste er ihre Taille – nicht richtig fest, eher spielerisch, so dass sie wankte, das Gleichgewicht verlor und auf seinem Schoß landete.
Jetzt reichte es!
Anstatt den Wein hinzustellen, hielt sie den Krug absichtlich schräg und ließ einige rote Tropfen auf das weiße Hemd des Deutschen laufen. Der bemerkte es erst gar nicht, zuckte dann aber zusammen und betrachtete irritiert den Fleck, der sich auf dem Stoff ausgebreitet hatte. Ungerührt ließ sie noch weiteren Wein auf sein Hemd laufen. »He!«, rief er pikiert, doch als der hässliche Gefährte auflachte, setzte er wieder sein Lächeln auf.
»Keine Sorge«, meinte er gutmütig. »So ein kleines Missgeschick kann jedem passieren.«
Emilia riss sich ärgerlich von ihm los und knallte den Krug Wein auf den Tisch.
»Das war kein Missgeschick, das war Absicht«, knurrte sie. »Und
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