Jenseits von Feuerland: Roman
wenn Sie mich das nächste Mal ungefragt anfassen, schütte ich Ihnen nicht nur Wein aufs Hemd, sondern zertrümmere den Krug auf Ihrem Schädel, verstanden?«
Mit weit aufgerissenen Augen starrte dieser Arthur sie an. Emilia wandte sich wortlos ab und eilte wieder in die Küche. Trotz der schlechten Laune musste sie in der nächsten Stunde mehrmals lächeln – immer dann nämlich, wenn sie sich an seinen verdatterten Gesichtsausdruck erinnerte.
Balthasar streckte sich wohlig im Bett. Sie hatten nunmehr die dritte Nacht in Punta Arenas verbracht, und immer noch hatte er sich nicht an das Gefühl gewöhnt, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Obwohl ihm die lange Seereise nicht so zugesetzt hatte wie Arthur, war sie ihm am Ende ziemlich öde geworden: Er hatte nämlich schlichtweg nichts mehr zu zeichnen gefunden.
In den ersten Wochen hatte er nach und nach alle Passagiere festgehalten. Sein liebstes Motiv war hierbei die Gattin eines deutschen Kaufmanns gewesen, die mit ihrer zahlreichen Kinderschar nach Chile reiste – eine richtige Matrone, die es mit der Hygiene nicht so genau nahm. Es ging das Gerücht, dass sie sich in all den Wochen nie ordentlich gewaschen, sondern lediglich allmorgendlich ihr Gesicht mit einem feuchten Lappen abgerieben und danach gepudert hätte. Damit sie den eigenen Gestank aushielt, schlief sie auf einem parfümierten Kissen.
Mehrmals hatte er auch einen jungen Matrosen gemalt, ihn sogar einmal gebeten, ihm eigens Modell zu sitzen, was Arthur überhaupt nicht verstanden hatte: »Der stinkt nach Knoblauch!«, hatte er angewidert verkündet. »Aber den kaut er doch nur, um sich die Zähne weiß zu halten!«, hatte Balthasar daraufhin erklärt.
Neben Passagieren und Besatzung hatte er auch sämtliche Details vom Schiff gezeichnet. Er verstand nicht viel von Technik und interessierte sich eigentlich nicht dafür, aber die riesige Dampfmaschine und der Schraubenpropeller, dank derer das Schiff den Flauten in der Höhe des Äquators entging, hatten ihn ebenso fasziniert wie die Tatsache, dass es – wie viele der großen Hochseeschiffe – fast ausschließlich aus Eisen gebaut war. Tausende Nieten verbanden unzählig viele Platten zu einem festen Schiffskörper, der den Naturkräften standhielt – wobei Balthasar sich im Stillen fragte, wie dieses enorme Gewicht nur über Wasser gehalten werden konnte.
Nachdem dies alles weitgehend erforscht und gezeichnet worden war, wurde die Reise schrecklich langweilig. Der letzte Landgang hatte auf Las Palmas stattgefunden. Zu diesem Anlass hatten sich die Männer ihre Bärte abgeschabt und sich die Frauen – mit Ausnahme der Kaufmannsgattin – ihre Haare gewaschen und mit Plätteisen in Locken gelegt, eigentlich ein unnötiger Aufwand, wie Balthasar befand, denn Las Palmas war ein verschlafenes Nest, in dem zur Mittagszeit nur die streunenden Hunde wach waren und die ungewohnten Fremden argwöhnisch beobachteten. Vergebens hatte Arthur nach einer Kneipe und hübschen Eingeborenen Ausschau gehalten und war enttäuscht und schlecht gelaunt aufs Schiff zurückgekehrt.
Danach hatten die endlose Weite des Atlantiks und brennende Sonne auf sie gewartet. Fast täglich entstand nun Gedränge unter dem Sonnensegel des Oberdecks, in dessen Schatten sich die Passagiere flüchteten. Wenigstens hatte Balthasars Koje nicht nur ein Seitenfenster, sondern auch eine Wachlampe, so dass er auch nachts zeichnen konnte – während Arthur trotz oder vielleicht gerade wegen Seekrankheit immer sehr tief schlief und schnarchte.
Auch in dieser dritten Nacht in Punta Arenas hatte er scheinbar gut und fest geschlafen, denn eben streckte er sich genüsslich und rief begeistert: »Ein richtiges Bett! Gott sei Dank! Endlich wieder ein richtiges Bett! Das Leben ist herrlich!«
Balthasar unterließ es, ihn daran zu erinnern, dass seine Laune erst gestern noch ziemlich getrübt gewesen war. Sie hatten Punta Arenas besichtigt, und Arthur hatte ständig den Dreck der engen Gassen beklagt. Überall wurde gebaut, nicht nur kleine Holzhäuser, sondern auch größere aus Stein, die, wie sie erfuhren, den reichen Schafzüchtern gehörten. Am lautesten schimpfte Arthur über den starken Wind, wobei Balthasar den Verdacht hegte, dass er mit Dreck und Enge und Wind ganz gut leben könnte, sich jedoch über die schöne Wirtin ärgerte, an der Arthur sich nun schon seit drei Tagen die Zähne ausbiss – bislang ohne nennenswerten Erfolg.
Heute Morgen schien er
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