Jenseits von Raum und Zeit
seiner Unterlippe.
»Nun … theoretisch gesehen …«, begann er.
»Großer Gott!« platzte jemand heraus. »Behaupten Sie etwa, die Gesetze, nach denen man einen Mord verurteilt, definieren, welche Konstitution der Ermordete hat? Ich meine, was …«
»Was menschlich ist?« krächzte Stump. »Was immer die Mordgesetze auch beinhalten, sie behaupten sicher nicht, daß man keine Insekten töten darf. Und das hier ist nichts anderes als ein simples Ungeziefer. Es ist genauso, als wenn ich irgendeine Wanze getötet hätte.«
»Dann werden wir ihn wegen böswilliger Beschädigung einsperren!« rief ein anderer Mann. »Oder wegen Jagen ohne Jagdschein!«
»… wegen unerlaubten Waffenbesitzes!«
»… wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses!«
Stump griff in seine Hosentasche und förderte eine abgegriffene, formlose Brieftasche zutage. Er entnahm ihr ein paar zerknitterte Papiere.
»Ich bin konzessionierter Insektenvertilger. Und ich habe auch einen Waffenschein. Ich habe das Gesetz nicht gebrochen.« Er grinste jetzt ganz offen. »Ich tue nur meine Arbeit, Sheriff. Ich habe dem County keinerlei Schaden zugefügt.«
Ein kleiner Mann mit kurzgeschnittenem rotem Haar ging mit erhobenen Fäusten auf Stump los.
»Du blutrünstiger Idiot! Deinetwegen sind wir jetzt ein Schandfleck der Nation! Lynchen ist noch viel zu harmherzig für dich!«
»Halt den Mund, Weinstein!« sagte der Sheriff. »Das Wort ›lynchen‹ will ich nicht gehört haben …«
»Lynchen, ja!« bellte Stump, und sein Gesicht lief puterrot an. »Weil ich euch allen eine Wohltat erwiesen habe? Jetzt hört mir einmal zu. Was ist denn dieses Ding da eigentlich?« Er zeigte mit seinem plumpen Daumen zum Rednerpult. »Das ist irgendein Bastard vom Mars oder von sonstwo. Das wißt ihr genausogut wie ich. Und warum ist es hier? Weil es uns so sympathisch findet? Nein, kann ich euch sagen! Wir oder sie – darum geht es. Und diesmal, bei Gott, haben wir gewonnen I«
»Du – du gemeiner …«
»Laßt mich doch ausreden! Ich bin genauso liberal gesinnt wie ihr. Ich habe nichts gegen Nigger, und ich kann einen Juden nicht von einem Arier unterscheiden. Aber wenn ich einen violetten Wurm als menschlich bezeichnen soll, da hört sich meine Nächstenliebe auf.«
Sheriff Hoskins schob sich zwischen Stump und die immer näher drängende empörte Menge.
»Schluß jetzt! Beruhigt euch und geht nach Hause. Stump wird dem Gesetz übergeben.«
»Ich glaube, ich gebe es auf, Sheriff.« Stump schnallte seinen Revolvergürtel ab. »Die Leute hatten die Chance, darüber nachzudenken und einzusehen, daß ich das Gesetz nicht gebrochen habe. Es ist viel ungesetzlicher, wenn man auf einen konzessionierten Insektenvertilger losgeht, nur weil er seine Arbeit getan hat.« Er bückte sich und hob seinen Revolver auf.
»Gib das lieber mir«, sagte Sheriff Hoskins. »Der Waffenschein wird dir entzogen werden. Und die Lizenz als Insektenvertilger auch.«
Stump grinste und reichte dem Sheriff die Waffe.
»Aber gern, Sheriff. Ich will dir keine Schwierigkeiten machen. Ich mache alles, was du sagst. Schick mir den Revolver, wenn die Angelegenheit erledigt ist.« Er bahnte sich einen Weg durch die Menge und verließ den Saal.
»Ihr anderen bleibt!« rief ein würdevoll aussehender Mann mit dichtem weißem Haar und drängte sich zum Rednerpult vor. »Ich berufe eine Sitzung des Stadtrats ein, jetzt sofort!« Er schlug mit dem kleinen Hammer auf die zerkratzte Platte des Pultes und starrte auf den Körper des toten Fremden hinab, der jetzt von einer Decke verhüllt war.
»Gentlemen, wir müssen rasch handeln. Wenn dieser Vorfall durch das Nachrichtennetz bekannt wird, bevor wir ihn vor Gericht gebracht haben, wird in Willow Grove die Hölle los sein …«
»Aber Willard!« rief Richter Gates mit erhobener Stimme.
»Dieser Mob ist doch nicht imstande, einen Gesetzesbeschluß zu fassen.«
»Sicher, Richter Gates. Diese Sache muß vor den Bundesgerichtshof. Vielleicht bedarf es sogar der Aufstellung eines neuen Paragraphen. Aber in der Zwischenzeit müssen wir neu definieren, was innerhalb der festgelegten Grenzen von Willow Grove das Wesen einer Person ausmacht.«
»Das ist alles, was ihr tun wollt?« rief eine Frau mit eingefallenen Wangen und starrte Richter Gates an. »Glaubt ihr, wir sitzen untätig da und sehen zu, wie dieser Mörder frei herumläuft?«
»Unsinn!« rief Gates. »Was hier passiert ist, gefällt mir genausowenig wie Ihnen. Aber eine Person – nun
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