Jenseits von Timbuktu
Landsleute Menschen seien  â so gut und so schlecht wie Menschen eben waren  â und dass die Zustände in Südafrika kaum anders seien als in anderen Ländern. Korruption gebe es überall, Vetternwirtschaft auch, und in jeder Suppe gebe es dicke Fettaugen, die oben schwimmen.
Hitzig hatte sie eingewandt, dass diese Leute die einzigartige Chance, eine neue Nation auf dem Fundament von Mandelas Traum zu bauen, mit FüÃen traten, dass sie diesen Traum zerstörten und gleichzeitig den von Millionen Südafrikanern.
»Die Revolution frisst ihre Kinder, das war schon immer so«, hatte er geflüstert und unendlich traurig dabei ausgesehen.
Natürlich hatte er recht, aber ihre hilflose Empörung brach immer wieder durch.
»Und was für ein Märchen«, sagte Anita, die ganz offensichtlich
nichts von Jills innerem Kampf mitbekommen hatte, und schüttelte bewundernd den Kopf. »Unglaublich! Und die Dumas, wo wohnen die?«
Jill war froh, dass sie diese Klippe umschifft hatte. »Die haben ein Haus in Umhlanga Rocks, einem schönen Vorort etwa fünfzehn Kilometer nördlich von Durban am Indischen Ozean  â ihr habt da wohl auf dem Hinweg gegessen, nicht wahr? Sarah ist nicht gesund, und in einem Notfall will sie nicht erst Stunden bis zum nächsten anständigen Arzt fahren müssen. Warte mal einen Augenblick.« Sie ging hinüber zu Sarah, begrüÃte auch diese mit dem Dreiergriff und einem Kuss auf die Wange. »Danke, dass ihr uns zu Hilfe gekommen seid.«
»Diese dummen Kaffern haben sich schon oben im Haus angebrüllt«, schnaufte die korpulente Zulu mit zusammengekniffenen Augen. »Danach habe ich aus der Ferne beobachtet, was sie hier unten veranstaltet haben. Ich kenne diese Kerle. Sie sind Tsotsies, auch wenn sie Millionen von Rand für Autos und Uhren ausgeben können und feine Anzüge tragen. Früher waren sie kleine Ganoven, die uns den Mais vom Feld geklaut haben, die wie die Hasen gerannt sind, wenn ich sie mal erwischt habe. Heute â¦Â« Sie holte keuchend Luft. »Es sind Verbrecher, und sie leben vom Verbrechen, und keiner tut was dagegen. Also muss ich es tun.«
Hinter ihnen ertönte eine Fanfare, und Sarah machte einen Satz. Wütend fuhr sie herum. Ein WeiÃer mit Pferdeschwanz und dickem Diamanten im Ohr röhrte am Steuer eines Porsches an ihr vorbei. Der Wagen glänzte in Metallicschwarz, ein farbenfreudiger, zähnefletschender Löwenkopf zierte die Wagenfront, darüber stand »Lionâs Den«.
»Löwengrube«, las Anita halblaut.
Sarah fuchtelte drohend mit dem Kampfstock. »Und der ist der schlimmste von denen. Ingwenya! Er stiehlt Kinder â¦Â«
»Dem gehört die gröÃte Kette von Bordellen im Land«, raunte
Jill Anita zu. »Es wird gemunkelt, dass er illegal Frauen und Kinder aus dem Ausland nach Südafrika bringt und zur Prostitution zwingt. Kinder!« Sie spuckte das Wort aus.
»Menschenhandel?« Anita war zutiefst entsetzt. »Warum läuft der frei herum?«
Jill sah wie abwesend hinter den Autos her und zuckte dann aber mit den Schultern. »Beziehungen«, murmelte sie schlieÃlich traurig. »Das ist das Dunkle unter der glitzernden Oberfläche unseres Traumlandes. Ein Abgrund, der so tief wie die ewige Hölle ist.«
Vilikazi war dem Wortwechsel gefolgt. Er schloss seine Lider zu schmalen Schlitzen, seine Kinnmuskeln mahlten. Nachdenklich strich er sich über seinen kahlen Schädel. »Ich muss herausfinden, wo er die Mädchen ⦠zwischenlagert, bevor er sie auf seine Bordelle verteilt«, murmelte er und wechselte einen langen Blick mit seiner Frau.
Sarah nickte. »Die Sonne geht schlafen«, sagte sie dann und wandte ihr Gesicht in den goldenen Sonnenuntergang. »Zeit, dass ihr nach Hause fahrt, Jill. Hambani kahle. Geht in Frieden.«
Jill aber reagierte nicht. Sie stand regungslos da und sah noch immer dem Porsche nach, der mit einer roten Staubfahne hinter sich durch den Ort davonraste. Neben dem Mann mit dem Pferdeschwanz hatte ein weiterer Mann gesessen, ein massiger Kerl, Baseballkappe auf dem Kopf, das Gesicht zur Hälfte von einer schwarzen Sonnenbrille verdeckt. Irgendwie kam er ihr bekannt vor und löste ein scharfes Gefühl von Angst und Hass in ihr aus. Sie versuchte, es zu ignorieren, aber es wurde hartnäckiger, brachte ihr Herz zum Flattern. Sein
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