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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Gesicht hatte sie nicht erkennen können, aber da war etwas in seiner Gestalt, in seiner Haltung … Sie durchsuchte ihr Gedächtnis, aber ohne Erfolg. Kein Bild, das sie aus der jüngeren Vergangenheit heraufbeschwor, passte. Unbewusst senkte sie die Brauen. Vielleicht gehörte es in die Zeit, als ihr Bruder von einer Paketbombe zerrissen
wurde und zwei Typen vom Geheimdienst im Haus ihrer Eltern aufkreuzten?
    Â»Jilly!«
    Sie fuhr zusammen, fand nur mit großer Anstrengung zurück in die Gegenwart.
    Sarah beugte sich vor und küsste sie fest auf beide Wangen. »Grüß Nils von mir, und deine Kinder auch.« Mit listigem Blick klopfte die Zulu ihr auf den flachen Bauch. »Mehr wirst du nicht bekommen?«
    Â»Nein«, stotterte Jill. »Nein, wohl nicht.« Nach einer fürchterlichen Fehlgeburt hatte sie eigentlich geglaubt, sie würde nie Kinder bekommen, aber das Wunder war dann doch geschehen, und das gleich zwei Mal. »Ich bin doch schon viel zu alt.« Sie legte ihr Gesicht in komische Falten.
    Sarah setzte eine überlegene Miene auf. »Geh zu meinem Sangoma, der gibt dir ein starkes Muti. Du brauchst noch mehr Kinder, die für dich und deinen Mann im Alter sorgen. Dein Mann ist sehr groß und isst viel. Zwei Kinder können euch nicht ernähren!«
    Jetzt restlos von dem geheimnisvollen Mann abgelenkt, prustete Jill los. »Himmel, Sarah, ich liebe dich!« Sie küsste erst die alte Zulu und danach Vilikazi. »Unsere rettenden Engel! Bitte grüßt Mbali von mir, und ich wünsche ihr ein glückliches Leben und sehr viele Kinder. Salani kahle, ihr beiden. Bleibt in Frieden.« Mit einem Lachen und Winken strebte sie ihrem Geländewagen zu. Anita folgte ihr.
    Die beiden Kontrahenten waren inzwischen in ihre zerbeulten Autos gestiegen und hatten den Rückwärtsgang eingelegt, um die Wracks voneinander zu trennen. Jeweils ein Bodyguard hatte seinen massigen Körper auf den Beifahrersitz gezwängt, die beiden anderen schoben und zerrten mit aller Kraft. Die Fahrer brüllten, ihre Begleiter ebenfalls, aber endlich trennte sich Metall von Metall mit ohrenzerfetzendem Kreischen. Die Motoren
sprangen an. Die Bodyguards hingen aus den Autos. Sie mussten mit Handscheinwerfern die Straße beleuchten, weil die Scheinwerfer zerbrochen waren. In Schrittgeschwindigkeit quietschten und rumpelten die zerbeulten Fahrzeuge über die Schotterstraße. Die übrig gebliebenen Bodyguards warfen sich in ihre Autos, folgten mit aggressiv aufheulenden Motoren ihren Herren. Langsam verschwand die Kavalkade in die Dunkelheit.
    Bevor Anita ins Auto stieg, verharrte sie kurz in der offenen Tür. Noch hatte sich die Nachtfeuchte nicht übers Land gelegt, noch roch es nach sonnenverbranntem Gras und trockenem Holz. Zikaden schrillten, dass es ihr in den Ohren klingelte, die heiße Luft stieg in Wellen von dem aufgeheizten Boden auf, ließ auch um diese Zeit noch nicht nach, sondern schien in der Dunkelheit drückender zu werden. Aber vielleicht war es nicht nur die Hitze, die sie niederdrückte, nicht nur die Konfrontation mit den Jugendlichen. Vielleicht war es dieser Mann, der Bordelle betrieb und dem Menschenhandel nachgesagt wurde. Vielleicht war es die Vorstellung von geraubten Kindern.
    Ein Bild von Maurice’ USB-Stick blitzte unvermittelt vor ihr auf. Das von den Kindern. Sekundenlang verschlug ihr das den Atem, aber dann rief sie sich zur Ordnung. Maurice züchtete zwar laut Jill Löwen, aber mit Menschenhandel hatte das mit Sicherheit nichts zu tun. Sie riss sich zusammen und schwang sich auf den Beifahrersitz.
    Jill saß bereits hinten und schaute mit verschlossenem Gesicht in die sich schnell zu Dunkelheit verdichtende blaurosa Dämmerung. Wortlos stieg auch Dirk ein, ließ den Motor an, stellte die Klimaanlage auf Eissturm, wendete und fuhr los. Niemand hatte Lust auf Konversation. Dirk konzentrierte sich auf die Straße, die beiden Frauen schauten schweigend hinaus. Anita war innerlich leer, und sie tat nichts dagegen. Bevor sie über das, was sie eben erlebt hatte, nachdenken konnte, brauchte sie Abstand. Zeitlichen, räumlichen, innerlichen. Sie starrte hinaus.
Bald aber war es so dunkel, dass sie nichts mehr sah als ihr eigenes Spiegelbild in der Fensterscheibe.
    Ab und zu glühten Augen von streunenden Hunden oder Katzen am Straßenrand auf, die Scheinwerfer streiften Gruppen von jungen Männern, die

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