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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Gefühl von knochenkalter, pechschwarzer Einsamkeit, das in ihr hochkroch, wusste nicht, was sie von dem Hauch von Neid zu halten hatte, der sie unerwartet traf.
    Â»Was meinst du mit ›unter den Nagel reißen‹?«, fragte Dirk in das allgemeine Schweigen hinein.
    Jill schaute ihn an. »Ganz einfach. Er hatte einen Sicherheitsdienst gegründet, und die Angst vor Wilderern und Überfällen von Terroristen machten es ihm leicht, mit vielen von uns Farmern hier Schutzverträge abzuschließen. Einige dieser Farmen ließ er dann von seinen Leute überfallen …« Ihre Stimme wurde hart. »Meine Freundin Angelica und ihre Kinder waren allein auf ihrer Farm, als sie kamen. Sie haben es nur knapp überlebt. Auf Inqaba hat er Feuer gelegt, und zwei Kindheitsfreunde von mir, Popi und Thandi Kunene, wären um ein Haar darin umgekommen. Sein Ziel war einfach. Er hatte vor, uns so lange zu terrorisieren, bis wir freiwillig unsere Farmen verlassen und er sie für einen Spottpreis bekommen hätte. Dieses verdammte, blutrünstige Schwein!«
    Die letzte Bemerkung kam scheinbar beiläufig, aber die kalte Rage in ihren Augen ließ Anita einen Schauer über den Rücken rieseln. Die drei Filmleute schauten ebenso verständnislos wie verstört drein, und erst nach und nach schienen alle zu begreifen, was Jill da beschrieben hatte. Dirk hatte sich vorgelehnt, der Regisseur trank seinen Wein, hatte abwesend die Augen zu Schlitzen gekniffen, als sähe er einen Film vor sich. Marina Muros Gesichtsausdruck war unverhüllt, keine Spur von Schauspielerei. Sie wirkte, als blickte sie vom Rand der Hölle hinunter in unaussprechliches Grauen.
    Â»Und?«, flüsterte Anita.
    Â»Eines Tages haben meine Farmarbeiter ihn erwischt«, fuhr
die Eigentümerin Inqabas mit ausdrucksloser Miene fort. »Und als ich dazukam, waren sie gerade dabei, ihm das Halsband umzulegen  – so nennt man das, wenn sie einen Autoreifen mit Benzin füllen, den sie ihrem Opfer dann um den Hals legen und anzünden. Eine beliebte Methode bei den Zulus, jemand zu bestrafen und anderen eine nachdrückliche Warnung zu schicken.«
    Die Muro sog schockiert Luft durch die Zähne und wurde noch blasser. Nils’ Kiefermuskeln mahlten. Dirk hatte die Hände zu Fäusten geballt. Anita hatte die Augen geschlossen.
    Jill aber fiel wie ein Stein in die Vergangenheit zurück. Die Szene von damals stand ihr wieder vor Augen, so lebendig, als fände sie gerade statt. Bis zu ihrem letzten Atemzug würde sie das nicht vergessen können.
    Als Erstes hatte sie es gehört. Das Brüllen, den aggressiven Rhythmus stampfender Füße, ein nervenzerfetzendes Zischen wie aus hundert Schlangenrachen. Bei der nächsten Biegung hatte sie es gesehen. Über die dicht an dicht gedrängten Köpfe von mehreren Dutzend Zulus entdeckte sie die Pferde Pienaars und seiner Spießgesellen. Die Tiere waren am Indaba-Baum festgebunden worden, ihre Reiter lagen bäuchlings, aus mehreren Wunden an Kopf und Oberkörper blutend, quer über die Sättel und waren verschnürt wie Rollbraten. Die Zulus schüttelten Kampfstöcke, schossen mit AK47 Salven in die Luft, stampften auf die rote Erde und brüllten dabei die Kriegsgesänge ihres Stammes. Immer wieder streckten sie den Gefangenen die Hände entgegen, ließen sie wie Flügel flattern und stießen dabei dieses schreckliche Zischen aus.
    Sie hatte sofort bemerkt, dass die Männer Dagga geraucht hatten. Der süßliche Geruch hing schwer in der Luft, und die stecknadelkopfgroßen Pupillen bezeugten das. Seit Urzeiten rauchten die Zulus ihr einheimisches Cannabis, besonders vor Kampfhandlungen. Erschrocken hatte sie versucht, Nils, der alles
mit seiner ständig paraten Kamera dokumentierte, am Fotografieren zu hindern. Aber er hatte ungerührt weitergemacht, auch als eine Gruppe junger Männer johlend drei alte Autoreifen heranschleppte. Einer von ihnen hatte mit dem Zeigefinger einen Kreis um seinen Hals gezogen und dabei Len Pienaar breit angegrinst. Die Erinnerung ließ ihr auch jetzt die Haare wieder zu Berge stehen.
    Bevor sie reagieren konnte, hatte Popi Kunene vor ihr gestanden. Popi  – Kindheitsfreund, Unruhestifter, Widerstandskämpfer, Zwillingsbruder von Dr. Thandi Kunene. Ein Schatten mit sanfter Stimme und glühenden Augen. Jahre später war er an Aids gestorben. Er war der

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