Jenseits von Timbuktu
in der Luft, klatschte zurück und war verschwunden.
Dirk warf sich vorwärts. Eine plötzliche Kraftexplosion lieÃ
ihn durch die Wogen schieÃen, er spürte Stoff in seinen Fingern, griff zu, und dann hielt er sie in den Armen. Anita allerdings glaubte offensichtlich, ein Hai hätte sie zwischen den Zähnen, und schlug in Todesangst um sich.
»Halt still, du bist in Sicherheit, ich lass dich nicht wieder los!«, schrie er und packte sie unter den Achseln. Wie ein geübter Surfer nutzte er die Kraft der Wellen und lieà sich und Anita in Richtung Strand tragen. Bald darauf spuckte der Ozean sie auf den groben Sand. Hustend, Wasser herauswürgend, nach Atem ringend, blieben sie eng umschlungen liegen.
»Danke«, flüsterte Anita irgendwann, als sie wieder Luft bekam, und machte sich sanft los.
Dirk drückte sich hoch und half ihr auf die Beine, strich ihr zärtlich das nasse Haar aus den Augen. Hand in Hand liefen sie den Strand hoch, bis sie den Dünensaum erreichten, und warfen sich dann nebeneinander in den heiÃen Sand. Anita zitterte noch immer vor Schreck, aber auch vor Kälte. Es war ihr ein völliges Rätsel, woher dieser einzelne Delfin in letzter Sekunde gekommen war und wie er gespürt haben konnte, dass sie um ihr Leben kämpfte.
Je länger sie darüber nachdachte, desto unwirklicher erschien ihr das Ganze, desto mehr war sie davon überzeugt, dass es eine Sinnestäuschung gewesen war. Delfine, die Ertrinkende retteten, kamen nur in Märchen vor. Märchen waren nicht wirklich.
Nun spielten einem die Wellen, die sich am Strand von Kwa-Zulu-Natal brachen, oft akustische Streiche. Man meinte, im Hintergrund das Donnern eines Gewitters rollen zu hören oder ein Röhren wie von groÃen Motoren, manchmal auch ein Klingeln. Anita hörte jetzt auf einmal ein Lachen, wildes, lautes Lachen, eines, das schier barst vor Lebensfreude.
Ungläubig schaute sie sich um, aber auÃer ihr und Dirk befand sich niemand am Strand. Das Lachen schwebte für Sekunden über den Wellen, wie eine Lerche im Frühsommerhimmel,
dann wurde es vom Brüllen der Brandung verschluckt. Regungslos lauschte sie, aber vergeblich. Mit Verwunderung spürte sie, dass der Schmerz, dieser Brocken aus Eis, den sie seit Franks Tod in sich trug, nicht mehr da war.
Mit pochendem Herzen horchte sie in sich hinein. Nur die Wärme war geblieben, die Wärme seiner Liebe, und seine unbändige Freude am Leben. Sie lächelte. DrauÃen zog eine Schule Delfine vorbei. Sie tauchten auf und wieder unter, ruhig, gleichmäÃig. Ein elegantes Wasserballett. Urplötzlich aber sprang einer hoch in die Luft und tanzte in einem glitzernden Tropfenregen auf seinem Schwanz im Lichtgeflimmer über die Wellen.
Anita wurde die Kehle eng. Dann lachte sie, mit Tränen in den Augen, aber sie lachte. Der Eisbrocken war geschmolzen.
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Auf der Fahrt zurück nach Inqaba schwiegen beide einträchtig. Jeder verarbeitete auf seine Weise das, was dort an dem gleiÃenden Strand geschehen war. Sie hatten Unglaubliches erlebt, etwas, was für immer zu ihrem jeweiligen Leben gehören würde, etwas, was als Datumsgrenze dienen würde. Vor der Sache mit dem Delfin oder danach.
Dirk befand sich in einer Art Schwebezustand. Ein höchst ungewohntes Gefühl für ihn. Aber keineswegs unangenehm, dachte er. Absolut nicht. Er lächelte unbewusst.
Als der Schlagbaum an der Einfahrt zu Inqaba geöffnet wurde, begann es zu tröpfeln, dicke Tropfen zerplatzten mit kleinen Staubexplosionen auf der Windschutzscheibe. Innerhalb von wenigen Hundert Metern schüttete es wie aus Kübeln. Die Scheibenwischer kamen nicht dagegen an.
»Blindflug«, murmelte Dirk. Er öffnete das Seitenfenster, hängte den Kopf hinaus und bemühte sich, den Ãbergang der StraÃe zur Böschung zu erkennen. Ein wahrer Sturzbach klatschte ihm ins Gesicht, lief ihm in die Augen und in den Kragen. Bis auf die Haut durchnässt, gab er auf und lieà das Fenster hochsurren.
Für die kurze Strecke zum Parkplatz brauchten sie eine halbe Stunde.
Die Nachtsafari war wegen des Wolkenbruchs abgesagt worden, teilte ihnen Jonas mit. Er drückte ihnen jeweils einen Regenschirm von der GröÃe eines Sonnenschirms in die Hand und organisierte Philani und Musa als bewaffneten Begleitschutz.
Nach dem Dinner im Restaurant verabschiedete sich Anita. Das Abenteuer mit dem
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