Jenseits von Timbuktu
schön, und vielleicht finde ich ja einen Laden, wo ich einen Bikini kaufen kann. Wohin fahren wir? Zu dem Ort, wo die Oyster Box steht â den Namen vergesse ich immer wieder â, ist es ja wohl zu weit.«
Statt in Richtung Inqaba abzubiegen, blieb Dirk auf der HauptstraÃe und fuhr weiter nach Süden. »Umhlanga Rocks. Ja, die Fahrt dauert über zwei Stunden, aber an der Küste vor Mtubatuba gibt es einen Strand â allerdings können wir dort nicht schwimmen.«
»Und warum nicht?«
»Haie, und es gibt keine Netze.«
Anita seufzte. »Na, dann sonnenbaden wir eben.«
Sie fanden einen Laden, und Anita lieà sich dazu hinreiÃen, einen smaragdgrünen Bikini zu kaufen, der so winzig ausfiel,
dass sie sich nicht sicher war, ob sie den Mut aufbringen würde, ihn auch zu tragen.
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Barfuà liefen sie über den sandigen Pfad, der sich durch den Küstenurwald wand, und schlieÃlich traten sie aus dem schattigen Grün hinaus in die gleiÃend helle Strandwelt. Anita rannte, bis sie den Rand des Indischen Ozeans erreicht hatte, und vergrub ihre FüÃe im körnigen, heiÃen Sand. Meterhohe Wellenberge rollten unablässig auf sie zu, funkelten im Sonnenlicht wie teuerstes Kristall, ehe sie in einem Wirbel aus schneeweiÃem Schaum auf den Strand hinaufzischten.
Und dann geschah es wieder, wie an jenem Tag, als sie auf der Terrasse der Oyster Box gesessen hatten. Das Sonnenfunkeln, das so herrlich war wie das Leben selbst, verschwamm vor ihren Augen, die Grenze zwischen Wasser und Himmel zerfloss. Sie vergaÃ, dass es keine Hainetze gab, und machte einen Schritt mitten hinein in die sahnige Gischt.
Das Meer war warm, Sonnenstrahlen tanzten auf der Oberfläche, die Wellen strudelten um ihre Beine, saugten, zogen sanft, und wieder machte sie einen Schritt, tiefer hinein, und noch einen, das Wasser stieg ihr bereits über die Oberschenkel. Willig folgte sie dem Sog und machte einen weiteren Schritt. Die nächste Woge hob sie sanft hoch, ihre FüÃe lösten sich vom Meeresboden, und sie trieb hinaus in das Funkeln. Ihr Rock blähte sich auf der Oberfläche, wie eine Sonnenblume schwebte sie schwerelos davon ins Licht.
Sie wollte sich zu Dirk umdrehen, ihm zuwinken, da rollte ein meterhoher Brecher heran, krachte auf sie herunter, warf sie herum wie im Schleudergang einer Waschmaschine und zog sie mit sich in die Tiefe.
Dirk, der sie gerade vor den Haien und der Gewalt der Brandung hatte warnen wollen, war nur für einen kurzen Moment von einem Brandungsboot abgelenkt worden, das mit aufheulenden
Motoren auf den Strand zuschoss. Als er sich wieder umwandte, stand Anita nicht mehr am Saum der auslaufenden Wellen. Seine Blicke flogen übers Wasser, und für Sekunden flirrte ein sonnenblumengelber Fleck vor seinen Augen, der nur wenige Meter von ihm entfernt aufs Meer hinaustrieb. Dann rauschte ein Wellenberg heran, und die gelbe Sonnenblume war verschwunden.
Er rannte schon schreiend über den glühenden Sand, ehe sein Gehirn überhaupt begriff, was da passierte. Mit einem Hechtsprung warf er sich den Brechern entgegen, tauchte unter ihnen hindurch, bewegte seine Arme wie Windmühlenflügel, um vorwärtszukommen, schrie, verschluckte sich, schrie lauter. Schrie um sein Leben, denn ohne Anita würde es zu Ende sein. Bewusst war ihm das nicht, aber sein Körper wusste es, in jeder Faser. In jeder Zelle. Die Gewalt der Brecher warf ihn ständig ein Stück zurück. Er schluckte literweise Wasser, spuckte, schrie, aber er gab nicht auf, gab Anita nicht auf. Irgendwann wurde das Brandungsgeräusch leiser, die Wellen brachen sich hinter ihm, und er geriet in eine ruhigere Zone und konnte durchatmen.
Wassertretend hielt er nach Anita Ausschau. Immer wieder glaubte er, den sonnenblumengelben Fleck zu erkennen, aber jedes Mal entpuppte es sich als tanzender Sonnenreflex. Verzweifelt jagte sein Blick über die flimmernde, leere Meeresoberfläche. Was dann geschah, hätte er nicht geglaubt, hätte er als Märchen abgetan, hätte es ihm jemand erzählt. Aber es geschah.
Ein torpedoförmiger, schiefergrauer Körper schoss durchs durchsichtige Wasser, tauchte unter und dann wieder auf und mit ihm ein dunkler Kopf. Sonnengebräunte Arme schlugen um sich, Sonnengelbes bauschte sich, und über die Gischt gellte ein hoher Schrei. Der Delfin sprang hoch über die Wellen, drehte eine Pirouette
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