Jenseits von Timbuktu
schaute auf die Uhr. Schon halb zwei. Spontan wandte sie sich ihrer Freundin zu. »Ach je, es tut mir leid, wir werden nicht mitessen können, ich bin ehrlich gesagt schon zu spät dran. Luca liegt mit Bauchweh im Bett, Nelly ist im Krankenhaus, und mein Kindermädchen hat das Weite gesucht. Nils passt auf unseren Kleinen auf. Lass uns die Mädels holen. Bitte.«
»Na klar.« Liz kippte trank ihren Tee in Ruhe aus und stand auf. »Komm, wir gehen durchs Haus. Mein Auto steht vor der Hintertür.«
»Kann ich mitkommen?«, sagte Wilson. »Ich würde mir die Ananasfelder auch gerne ansehen.« Sein Gesicht drückte nichts als Interesse aus.
»Sicher, folgen Sie mir.«
Liz Mortimers Haus war weitläufig und hatte groÃe Fenster, aber es war verwinkelt wie eine mittelalterliche Burg. Es glich im Grunde genommen dem Haus auf Inqaba . Seit Generationen hatten die jeweiligen Besitzer hier einen neuen Trakt oder dort weitere Räume angebaut.
Jill lief, mit Wilson dicht auf ihren Fersen, hinter ihrer Freundin her. »Für dein Haus braucht man ja eine StraÃenkarte, sonst verläuft man sich und wird Jahrhunderte später als Mumie gefunden.«
Liz lachte und stieà die Tür auf, die von ihrer altmodischen Küche hinaus auf die groÃe Veranda führte, die von allen Seiten das Haus beschattete. Auf dem gepflasterten Platz davor, unter einem strohgedeckten Carport, stand Lizâ Rangerover. Die beiden Frauen stiegen vorn ein, während Wilson auf den Rücksitz kletterte. Liz lieà den Motor an, und sie kurvten durch die schmalen Wege der riesigen Plantage.
Bald kamen die Felder mit den steifen grünen Blattrosetten der Ananas in Sicht. Liz spähte über die endlosen Reihen der niedrigen Anpflanzungen. »Komisch, ich kann die Mädels nicht sehen. Warte mal.« Sie sprang aus dem Wagen und ging hinüber zu einer ihrer Ananaspflückerinnen, die mit mehreren anderen noch nicht ausgereifte Ananas auf ein Förderband legte, das die Früchte vom Feld zum Lastwagen transportierte. Liz sprach ein paar Sätze mit den Frauen und kehrte dann zum Wagen zurück.
Sie wirkte sehr verärgert. »Die Mädchen waren hier, sind aber dann mit unserem Manager zur Guavenplantage gefahren.«
Jills Herzschlag stolperte. »Eure Guaven wachsen doch praktisch an der Grenze zu Inqaba oder?«, sagte sie und schaffte es kaum noch, ihre Unruhe zu unterdrücken, die von Sekunde zu Sekunde stärker wurde.
»Ja, und ich werde Lucy die Ohren lang ziehen. Ohne Erlaubnis von uns darf sie sich nicht weiter als bis zur Grenze unseres Hausgrundstücks bewegen, und das weià auch mein Manager. Dem werde ich die Hölle heiÃmachen.« Liz wurde zunehmend aufgebrachter. Sie startete den Motor, wendete und fuhr an den Ananasfeldern vorbei.
Jill starrte aus dem Fenster und schwieg, innerlich bis Unerträglichkeit angespannt. Ohne es zu merken, presste sie ihre Nägel in die Handflächen. Später sollte sie entdecken, dass sie halbmondförmige, blutunterlaufene Flecken hinterlassen hatten. Nach kilometerlanger Fahrt, wie es ihr schien, kündete der herrliche Duft reifer Guaven an, das sie fast am Ziel sein mussten.
Bald kamen die Reihen der Guavenbäume in Sicht. MittelgroÃe Bäume, deren Zweige sich unter dem Gewicht der goldgelben Früchte fast bis zum Boden bogen. Zwischen den Bäumen waren schwarz glänzende Plastikplanen gespannt, wohl gegen Unkraut. Auch hier waren unzählige Arbeiterinnen bei der Ernte. Sie unterhielten sich laut in Zulu. Von den Mädchen war nichts zu sehen.
Liz stieg aus und sprach mit der Vorarbeiterin. Als sie zurückkehrte, sprühte sie vor Zorn. »Der Manager hat sie hier rausgelassen, aber niemand hat eine Ahnung, wo die beiden jetzt sind. Wenn ich den Kerl erwische, dreh ich ihm den Kragen um.«
Jill spürte, wie ihr das Blut aus dem Kopf wich. Liz bemerkte offenbar. »Keine Angst, Jilly, die sind hier irgendwo und schlagen sich den Bauch voll. Das einzige Risiko ist, dass sie Durchfall bekommen. Die finden wir gleich.« Sie legte beide Hände um den Mund. »Lucy«, schrie sie. »Wo bist du?«
Jill lauschte angstvoll, aber auÃer dem Rascheln des leichten Windes in den dichten Baumkronen und der Unterhaltung der Arbeiterinnen vernahm sie nichts. Sie warf Wilson einen fragenden Blick zu. Auch der schüttelte den Kopf.
»Ich höre nichts«, krächzte
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