Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
Vom Netzwerk:
die Zaunlücken etwas erkennen zu können. »Inqabas Zaun ist da drüben«, flüsterte sie. »Wir müssen nur über das Feld laufen, und schon sind wir da. Wenn wir rüberklettern, finden uns bestimmt die Ranger oder unsere Wildererpatrouille ganz schnell, und dann sind wir in Sicherheit!«
    Inzwischen war die Sonne schon tief gesunken, der Abend nahte schnell. Anita sah sich mit Kira an der Hand in der Dunkelheit im Wildreservat durch Dornengebüsch schleichen, über Felsen klettern, im Mondlicht über weite, offene Grasflächen verzweifelt nach Deckung suchen, immer die Angst im Nacken, dass ein Raubtier Appetit auf einen Imbiss verspüren könnte. Die Vorstellung jagte ihren Blutdruck hoch. »Und was ist mit den Löwen? Und Elefanten? Und Schlangen?«
    Â»Hierher in diese Ecke von Inqaba kommen die Löwen meistens nicht. Die Elefanten kennen mich, und ich weiß, wie man mit Schlangen umgeht.« Das war die ganz und gar überzeugte Antwort von Kira Rogge.
    Und Anita ertappte sich zu ihrer eigenen Überraschung dabei, dass sie dem kleinen Mädchen glaubte. Buschbaby hatte sie Jill genannt. Jetzt verstand sie, was damit gemeint war. Unauffällig machten beide einen weiteren Schritt auf die Zaunlücke zu, wobei sie Usathane nicht aus den Augen ließen. Der hatte sein Mobiltelefon in der Hand und schien nichts von ihrer geplanten Flucht zu bemerken. Doch auf einmal brüllte er so urplötzlich los, dass nicht nur die Kinder leise aufschrien, sondern auch Kira. Africa und Jacob rannten ihr und Anita nach. Sie fingen sie ein und zerrten sie grob zu der kleinsten Hütte.
    Anita wurde völlig von der Aktion überrascht, weil Pienaar seine Befehle auf Zulu gegeben hatte. Sie leistete kaum Widerstand, als sie mit Kira durch den von einem Rinderfell verhangenen Eingang gestoßen wurden, der so niedrig war, dass höchstens ein zehnjähriges Kind aufrecht hindurchgehen konnte. Beide
strauchelten, beide fielen hin, und kaum waren sie drinnen, blockierte das Rindsfell das Licht, und draußen wurde etwas Schweres vor den Eingang geschoben. Dämmerlicht umfing sie.
    Â»Scheiße!«, platzte es aus Anita heraus.
    Â»Das sagt eine Dame nicht, sagen meine Eltern immer«, tadelte Kira sie. Die Kleine wirkte erstaunlich gefasst.
    Anita gelang ein schwaches Lächeln. »Recht haben sie. Ich bitte um Verzeihung.« Sie sah sich um und schätzte den Durchmesser des Raums auf etwa acht Meter, vielleicht etwas mehr. Das Dach, eine simple Konstruktion aus dünnen Stangen und Gras, ruhte in der Höhe der Oberkante des Eingangs auf einer Mauer und wurde durch einen Mittelpfahl abgestützt. Der Grasbelag war so dünn, dass man teilweise den hellen Abendhimmel hindurchschimmern sah. Das Licht in der Hütte schwand rasend schnell. Es wurde Nacht, und die ersten Mücken sirrten eifrig heran, angezogen von dem Versprechen einer schönen Blutmahlzeit. Als die erste ihren Rüssel in Anitas Oberarmhaut bohrte, konnte sie das Insekt noch rechtzeitig erschlagen.
    Â»Weißt du, ob es hier Malaria gibt?«, fragte sie Kira leise.
    Â»Ich glaube ja« war die unsichere Antwort. »Meine Mami hatte mal welche und war ziemlich krank. Sie hat furchtbar gefroren, dabei war es draußen richtig heiß.«
    Keine gute Nachricht, dachte Anita und fügte schweigend einen saftigen Fluch hinzu. Sie sah sich rasch um, um sich zu orientieren, bevor es vollkommen dunkel geworden war.
    Die Bestandsaufnahme war einfach. Auf dem Boden lagen zwei Strohmatten, in der Mitte der Hütte war eine Mulde mit verkohltem, erkaltetem Holz. Das war’s. In der dichten Dunkelheit, die bereits in der Hütte herrschte, würde sie sich jetzt nur noch auf ihren Tastsinn verlassen können.
    Â»Ich habe Hunger«, maulte Kira.
    Zu ihrem eigenen Erstaunen fing Anitas Magen wie auf Kommando ebenfalls zu knurren an. Sie tastete sich zum Eingang
vor. Es gelang ihr, trotz des schweren Gegenstands, der es einklemmte, das Rinderfell beiseitezuschieben. Sie legte den Mund gegen den Spalt.
    Â»Wir haben Hunger, Pienaar!«, rief sie und wartete dann mit angehaltenem Atem auf eine Reaktion.
    Zunächst passierte überhaupt nichts. Doch irgendwann – ihr Zeitgefühl geriet zunehmend ins Schwimmen – hörte sie, wie der Gegenstand, der den Eingang verschloss, beiseitegeschoben wurde. Dann wurde das Rinderfell angehoben, und die junge Frau, die sie

Weitere Kostenlose Bücher