Jenseits von Timbuktu
stand sie auf der Kippe. Panik brandete gegen die Wut auf Maurice. Am Ende gewann Letztere und schüttelte sie wie eine Riesenfaust, bis ihr Sterne vor den Augen tanzten. Sie trommelte mit den Fäusten gegen die Wand, bis die Haut wund war und zu platzen drohte. Erst als von drauÃen ein Schlurfen an ihr Ohr drang, hielt sie ein. Sie versteifte sich. Schwerer Atem war zu hören. Durch die Maschen des groben Vorhangs stieg ihr Alkoholgeruch in die Nase. Er stand offenbar unmittelbar vor dem Fenster.
»Je nun, Gnädigste, nun sind wir nur noch zu zweit, nicht wahr?« Pienaar lachte dröhnend. »Ist doch nett. Stell dir mal vor, was wir beide alles zusammen machen könnten.«
Pienaar  â Usathane  â hatte eine unangenehme Art, seine Stimme seidenweich klingen zu lassen. Anita jagte ein Schauer nach dem anderen über den Rücken. Unwillkürlich wich sie zurück
und war froh, dass Kira und die Mädchen nicht hier waren, nicht in der Reichweite von diesem Monster.
Das Tor vom Hof zum Vorplatz quietschte, und dann hörte sie, wie Pienaar mit dem Schlüssel herumstocherte, um die Tür zu ihrem Gefängnis aufzuschlieÃen. Für Sekunden war sie wie gelähmt, dann machte sie einen Satz zur Tür und umklammerte den Türgriff, stemmte die FüÃe gegen den Rahmen, um mehr Halt zu haben, und hielt sie fest.
Len Pienaar war fett, aber unter der Fettschicht seines über zwei Zentner schweren Körpers besaà er eisenharte Muskeln. Ein Bulle von einem Mann. Sie hörte, wie er den Schlüssel ins Schloss fummelte und ihn umdrehte, hörte, wie er am Griff rüttelte und schlieÃlich fluchend gegen das Türblatt trat, weil das nicht sofort nachgab. Aber dann packte er den Griff, setzte sein ganzes Gewicht ein und gab grunzend einen gewaltigen Ruck.
Anita wog knappe sechzig Kilo  â ein Federgewicht im Vergleich zu dem Buren  â, und ihre Kräfte reichten bei Weitem nicht aus, seiner rohen Kraft zu trotzen. Die Tür wurde ihr aus der Hand gerissen. Sie fiel nach vorn, stieà sich am Pfosten und rollte dann rückwärts auf den Betonboden. Nach Luft schnappend starrte sie auf Pienaars grobschlächtige Gestalt, die die Türöffnung ausfüllte. Das Scheinwerferlicht zeichnete seine Umrisse scharf nach, aber die schwachen Mondstrahlen, die durch die vergitterte Ãffnung unterm Dach flossen, lieÃen sie ihn auch von vorn deutlich erkennen.
Sein dunkles, spärliches Haar klebte an dem eiförmigen Schädel. Er hatte das blutbesudelte Khakihemd ausgezogen, über seinen haarlosen Oberkörper rann Wasser, und auch die Shorts tropften. Bei seinem Anblick überfiel Anita eine bodenlose Abscheu gepaart mit einer Angst, wie sie sie noch nie in ihrem Leben verspürt hatte. Die Angst verschlang alles. Die Luft zum Atmen, jeden zusammenhängenden Gedanken. Jeden Impuls, Widerstand zu leisten. Ihr leerer Magen verkrampfte
sich, und Säure schoss ihr die Speiseröhre hoch. Würgend presste sie ihre Hand über den Mund.
Pienaar, der erfahrene Expolizist, der Hunderte von Gefangenen verhört hatte und dem am Ende jeder gesagt hatte, was er wissen wollte, schätzte ihren seelischen Zustand augenscheinlich richtig ein. Die dünnen Lippen genieÃerisch gespitzt, weidete er sich an ihrer Panik und grinste sie dabei mit sichtlichem Vergnügen an. Er machte einen Schritt in den Raum.
Woher ihre Reaktion kam, konnte Anita später nicht mehr nachvollziehen. Mit einem Knurrlaut, der ihr völlig fremd war, warf sie sich, die Finger zu Krallen gebogen, auf den grinsenden Fettkoloss. Es war als rammte sie gegen eine Betonwand.
Aber das Grinsen verschwand. Die eisgrauen Augen sprühten Funken, Hände wie Stahlklammern packten sie. Eine Sekunde später glaubte sie, von einem Tonnengewicht erdrückt zu werden. Wie eine wehrlose Fliege hielt Pienaar sie mit seinem massigen Körper an die Wand gedrückt. Die Erinnerung an das vorige Mal, wo er sie angefallen hatte, die Erinnerung daran, dass sie auch damals geglaubt hatte, unter seinem Gewicht ersticken zu müssen, lieà sie in Panik einatmen. Pienaar nutzte das sofort und presste sich mit seinem immensen Bauch noch stärker auf sie, und die restliche Luft explodierte aus ihrer Lunge. Alles, was sie sah, waren rote Blitze und schwarze Flecken. Ihr Widerstand schwand zusehends, und ihre Sinne verschwammen
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